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Musiktheater

Der fliegende Holländer

Romantische Oper in drei Aufzügen // Musik und Libretto von Richard Wagner Leitung Besetzung

Dauer Ca. 160 Minuten inkl. Pause

Derzeit keine aktuellen Vorstellungstermine.

Bei dem Versuch, ein Kap zu umsegeln, beging der holländische Kapitän Gotteslästerung und wurde daraufhin mitsamt seiner Mannschaft dazu verdammt, für alle Ewigkeit auf den Weltmeeren umherzuirren. Nur die Liebe einer Frau kann ihn erlösen. Um diese treue Seele zu finden, darf der Holländer alle sieben Jahre an Land gehen, doch bislang war seine Suche erfolglos. In der Liebe von Senta, der Tochter des norwegischen Kaufmanns Daland, findet der Verfluchte schließlich die lang ersehnte Erlösung.

Mit dem Fliegenden Holländer entwickelte der damals 29-jährige Richard Wagner Themen, die ihn auch in den folgenden Jahrzehnten beschäftigen sollten. Im Handlungsmittelpunkt steht die Erlösung eines gesellschaftlichen Außenseiters durch das Selbstopfer einer liebenden Frau. Mit der Partitur steuerte Richard Wagner auf die künftige Form des Musikdramas zu und verlegt die Handlung mithilfe der Musik vom äußerlichen Drama auf die inneren Seelenzustände der Figuren.

Das sagt die Presse

Peter Bilsing & Markus Lamers, Der Opernfreund, 22.01.2024

Einfach grandios und publikumsfreundlich!

Was Regisseur Roman Hovenbitzer mit Wagners Fliegendem Holländer für eine wunderbar charmante und so Werk treu wie moderne unterhaltsame Geschichte erzählt, ist einfach grandios und publikumsfreundlich – ein Regisseur, der es drauf hat.

Er will uns weder belehren noch vera…. Was für ein lückenlos gutes Vokalisten-Ensemble hat dieses Theater Krefeld! Es stimmt die musikalische Leitung mit Mikhel Kütson und das Bühnenbild von Roy Spahn mit seinen tollen Projektionen ist vortrefflich gelungen. […]

Der Chor ist so stimmig, wie bewegungsfreudig überzeugend. Da gelingt es doch tatsächlich mal Wagners „alten Schinken“ mit all seinen teils ja heutzutage recht fragwürdigen Frauenbildern überzeugend und ohne Brüche als richtig gutes Musiktheater zu inszenieren, welches die Fantasy Story Heines aus der Grusel Geisterbahn weder ignoriert noch veralbert, sondern in einem richtig guten zeitgemäßen Rahmen steckt, der auch finstersten Frauenrechtlerinnen ein Lächeln aufs Gesicht zaubern wird.

Genauso sollte/muss heute eine Oper inszeniert werden, wenn die Gattung nicht aussterben soll.

Ein großer Abend, welcher unisono zurecht bejubelt wurde. Kann man diesen Holländer schöner, mitreissender und intelligenter inszenieren? Ich glaube kaum, wenn ich so meine 30 Holländer der letzten 50 Jahre Revue passieren lasse. Bravi a tutti! Dafür ist unser OPERNFREUND-Stern die gerechte und angebrachte Würdigung. Herzlichen Glückwunsch Theater Krefeld/Mönchengladbach.

Christian Oscar Gazsi Laki, Westdeutsche Zeitung, 22.01.2024

Bravo! – für einen selten guten Wagner-Abend.

[…] In der Tat ist dieser Opernabend am Theater Krefeld eines jener Erlebnisse, die noch kraftvoll nachhallen, selbst wenn schon der letzte Ton verklungen, der letzte Jubelsturm des begeisterten Applauses abgeebbt ist. Musikalisch, inszenatorisch, überhaupt künstlerisch-ästhetisch, folglich auch atmosphärisch gelungen präsentiert sich die Übernahme der schon in Mönchengladbach gezeigten Inszenierung Roman Hovenbitzers.

Die Regie nähert sich der frühen romantischen Oper Wagners aus der Perspektive Sentas. […] Auch wenn Umdeutungen oder Modernisierungen von Wagnerstoffen, zumeist mehr schlecht als recht gelingen, häufig gewollt und nur selten gekonnt sind, kann man auch ohne in Text und Musik einzugreifen, durch szenisches Geschick neue Bedeutungsebenen entstehen lassen. Dies gelingt dem Regieteam (Dramaturgie: Ulrike Aistleitner) in diesem Fall hervorragend – auch durch perfektes Timing. Trotz einer feinen Ambivalenz zwischen Augenzwinkern und Ernstnehmen – auch dank des zauberhaften Bühnenbildes des letztes Jahr verstorbenen Roy Spahn – bleibt die Gestalt, die Aura des Wagnerschen Meisterwerks erhalten. […]

Sopranistin Agnes Thorsteins debütierte bejubelt als Senta. […] Die Gastsolistin Agnes Thorsteins hat hier ihre Visitenkarte als ein großes Wagner-Talent abgeliefert. Ihre Stimme birgt enorme Potenziale, die sie auf schönste Weise entfalten konnte. Klare, saubere und vor allem unangestrengt wirkende Höhe, vereinen sich mit gelungener Aussprache und einem untrüglichen Gespür für Wagners „Tonfall“. Gewürzt wird dies mit einer sprudelnden schauspielerischen Spielfreude, einer Präsenz. Und es heißt schon was, wenn einem gelingt, sängerische Charismatiker wie den fantastischen „Holländer“ Johannes Schwärsky zu überstrahlen. Jener beglückt mit seiner schnörkellos guten Deutung, vermag seiner Rolle Gewicht und klangliche Balance zu verleihen. […] Ebenso trefflich verkörpert Matthias Wippich die Rolle des Daland. Formt mühelos seinen Stimmcharakter – wobei er zugleich mit gesangskünstlerischem Tiefgang zu überzeugen weiß. […]

Das aber als Ganzes sehr runde Ensemble ergänzten zudem Eva Maria Günschmann als Mary sowie auch schön und kultiviert singend Arthur Meunier vom Opernstudio als Steuermann. Michael Preiser hatte Chor und Extrachor sehr gut vorbereitet – womit die Chorszenen kraftvoll und mit Esprit erklingen konnten. Auch szenisch zeigten sich die Chormitglieder bestens aufgelegt – und belebten das Regiekonzept eindrucksvoll.

Mihkel Kütson und die Niederrheinischen Sinfoniker gewährten Wagners brodelnden Fluten die nötige Gewichtigkeit, Dramatik. […] Einmal mehr beweisen Orchester und Generalmusikdirektor ihr Talent für atmosphärische musikalische Episoden. […]

Petra Diederichs, Rheinische Post, 22.01.2024

Tonstark, bildstark – Minutenlang brandet der Jubel!

So einen Jubel hört man selten – Das Publikum tobt bei „Holländer“-Premiere in Krefeld.

Am Ende einer Wagner-Oper ist die Heldin meistens tot, um ihren Helden zu erlösen. In diesem „Fliegenden Holländer“ zeigt Senta dem Helden die Zähne. Das Publikum tobte bei der Premiere. Wagner hätte es eher nicht gefallen. Warum man unbedingt reingehen soll. In die letzten beiden Paukenschläge des Finales klappt schon der erste Beifall. Kaum ist die Musik verhallt, kommen die Bravo-Rufe. Minutenlang brandet der Jubel. Dann schaltet die Lichtregie erbarmungslos die Saalbeleuchtung ein, sonst wäre dem Tosen im Saal kaum Einhalt geboten worden. Die Premiere der Wagner-Oper „Der Fliegende Holländer“ hat viele so aufgewühlt wie das Meer. Tonstark, bildstark – und Wagner mal mit sanften Drehs den Machismo austreibend. Von wegen, die Frau geht liebesschwanger in den Freitod, um den Traummann zu erlösen.

[…] Das Frauenbild von Richard Wagner, im 19. Jahrhundert verhaftet, hat sich überholt, ist nach „MeToo“ für den Regisseur unhaltbar. Senta ist eine starke, eigensinnige Frau. Hovenbitzer verpasst ihr eine Lebensgeschichte, die mit der Ouvertüre beginnt. […] Der erste Aufzug gehört den Männern: Matthias Wippich ist ein stattlicher Kapitän Daland, der sein Schiff, die „Conquerer Cruises“ souverän durch alle Wetter führt und seine Mannschaft sowie ein Heer von Kreuzfahrttouristen – im Griff hat. […] Johannes Schwärsky ist schon optisch eine Idealbesetzung – ein verwegener Ozeanbezwinger, vor Vitalität strotzend. In raumgreifenden Gesängen findet er die richtige Proportionierung von Maskulinität und tiefer Sehnsucht nach Ruhe, letztlich nach Tod. Dann klingt er nach bodenloser Melancholie.

[…] Schwärsky und Wippich (auch er hat dieses Leuchten in den Tiefen) geben Vollgas. Sie verkörpern vollendet jene Zwei, die sich im Handel über den Kopf einer Frau hinweg gar nicht so unähnlich sind. In diesem „Holländer“ ähnelt sich der legendäre Held, dem Familienvater-Kapitän immer mehr an – auch in den Kostümen, die Mechthild Seipel entworfen hat. Am Ende trägt er die spießige Traumschiffsuniform. Es ist absehbar, dass die emanzipierte Senta diesen Langweiler am Ende nicht mehr will. Die Besessenheit vom Helden ihrer Fantasie schlägt um in tiefe Enttäuschung über den von allem Glanz befreiten seemüden Untoten, der nur einen Heimathafen will.

[…] Agnes Thorsteins gibt ein fulminantes Debüt. Sie lässt Kampfsinn und Erregung leuchten, setzt die Spitzentöne mit Eleganz und Kraft. Ihre Ballade ist ein Edelstein in einer funkelnden Klangkrone. Es ist ein Abend voller Wagner-Wucht.

Dafür sorgen auch Ralph Ertel als Erik, der zurückgewiesene Verehrer Sentas, mit großem Ausdruck; Eva Maria Günschmann als Mary (stimmlich und darstellerisch exquisit) und Arthur Meunier aus dem Opernstudio, der sein Debüt als Steuermann gibt und eine vielversprechende Tenorstimme präsentierte.

Mihkel Kütson ließ auch die Niederrheinischen Sinfoniker mit voller Kraft fahren. Die romantischen Passagen in den Liebesduetten und die Dramatik, mit der Wagner Sturm und Meer tosen lässt, treffen Herz und Mark. Die üppigen Chorszenen sind beeindruckend. Der Männerchor – vor allem in den Lifeguard-Westen der Sturmszene – und der Damenchor in der Spinnerei begeistern. […]

Ernst Müller, Extra-Tipp, 28.01.2024

Fazit: Ein erstklassiges Opernerlebnis!

[…] Unter Leitung von Generalmusikdirektor Mihkel Kütson intonieren die Niederrheinischen Sinfoniker im Orchestergraben die Overtüre.

Sie zeichnet sich durch zwei gegensätzliche Motive aus: Wuchtig die Musik zum Untoten auf dem zornig schäumenden Meer, im Kontrast dazu lieblich die Klänge zur Liebe. Dieser Kontrast wird die ganze Oper musikalisch durchziehen.

Von Beginn an hat Regisseur Roman Hovenbitzer die Musik durch starke Bilder untermalt. […]

Zumal Bühnenbildner Roy Spahn schon eine kongeniale Kulisse geschaffen hat. […] Kostümbildnerin Mechthild Seipel hat zudem die Sänger in historisierende Kleidung gewandet. Die markanten Kostüme sind nicht nur eine Augenweide, sondern spiegeln die inneren Gefühle ihrer Träger. […]

Daran knüpft Regisseur Hovenbitzer auch eine Neuinterpretation der Oper an, indem er ein zeitgemäßes Frauenbild ins Zentrum rückt. Anders als in der Vorlage Richard Wagners unterwirft sich Senta keineswegs den von Mythos und toxischer Männlichkeit vorgezeichneten Ansprüchen.

Das Premierenpublikum zeigte sich von der Aufführung begeistert. Neben den kraftvoll auftretenden Solisten hinterließen nicht zuletzt die Frauen- und Männerchöre großen Eindruck, die von Wagner mit den eingängigsten Melodien versehen sind und üppig die Bühne bereichern. Fazit: Ein erstklassiges Opernerlebnis.

Armin Kaumanns, Aachener Zeitung, 11.09.2022

Eine erstaunliche Spielfreude des Chores!

Alldieweil sie gerade in Bayreuth Wagners Libretti das F-Wort austreiben und unter großem Gezeter von Exegeten und solchen, die sich dafür halten, herumstreiten, ob denn der Tausch von „Führer“ gegen „Schützer“ die (Opern-)Welt besser macht, rückt man im ansonsten eher unauffälligen Mönchengladbach Wagners Frauenbild zuleibe.

Gespielt wird zur Saisoneröffnung „Der fliegende Holländer“, das populäre, noch in den Traditionen der Nummernoper verhaftete Frühwerk des Meisters. Und da gibt eben eine gewisse Senta das züchtige, bis in den Tod treue Kapitänstöchterlein, dessen Freitod – zumindest im von Wagner veroperten Sagenstoff – für den bis zum Happy End untoten Titelhelden Erlösung bedeutet.

Nicht so am Niederrhein. Regisseur Roman Hovenbitzer, am Gemeinschaftstheater bereits durch Inszenierungen von „Peter Grimes“ und „Nabucco“ bestens eingeführt, deutet Sentas herzig in Töne gesetzte Treueschwüre als Lippenbekenntnisse und zeigt im Schlussbild statt eines gen Himmel fliegenden Holländers eine den ganzen Machohaufen ziemlich alt aussehen lassende Piratenbraut: die fliehende Senta.

Schon bei der Ouvertüre hatte sich derartige Unbill angedeutet. Hovenbitzer dichtet dem Töchterlein – hinter dramatisch strudelnden, allgegenwärtigen Wellen-Projektionen – einen gewalttätigen, wenn nicht missbrauchenden Vater an die Biografie. Was das schlaue Kind aber offenbar weniger kaputt als stark gemacht hat. Im Verlauf der zweieinhalb für gewöhnlich herrlichen Opernstunden geistert jedenfalls Senta (als Kind) immerwährend in der Szene herum.

Die halbwegs erwachsene Senta des zweiten Aufzugs mag sich dann nicht in den Chor der auf ihre Jungs wartenden Spinnerinnen einpassen, stattdessen krallt sie sich bei erster Gelegenheit diesen eher schüchtern wirkenden Mann im Flodder-Look, als der der Holländer ins Daland- Heim tritt. Der ist dann auch reichlich verdutzt ob des eindringlichen Begrüßungskusses. Später passt der Seemann sich dann aber wohl freiwillig in die vorherrschende Männerrolle ein, wird Daland erschreckend ähnlich. Was Senta so wenig gefällt, dass sie das Brautkleid mit dem roten Piratinnenrock vertauscht und das Weite sucht. Hovenbitzer findet das emanzipatorisch. Na ja.

Dafür, dass am Niederrhein Wagner eher selten auf dem Spielplan steht, legen Sänger, Chor und Orchester der Niederrheinischen Sinfoniker eine sehr erfreuliche musikalische Ausdeutung der Partitur vor. GMD Mihkel Kütson geht zwar etwas holzschnittartig zu Werke: lässt die Höhepunkte etwas übertrieben krachen, aber wenig Raum für spontane Kreativ-Momente.

Im Zusammenwirken mit dem großen Chor, in dem besonders die Männer stark und lohnend gefordert sind, klappt das wunderbar, die Sänger-Solisten dürfen allerdings nie von der kurzen Leine. Johannes Schwärsky, dem Haus seit vielen Jahren verbunden, singt die Holländer-Partie souverän, die Senta ist bei Ingegjerd Bagoien Moe (als Gast) bestens aufgehoben. Die Sopranistin gestaltet ihre Arien musikalisch überlegen, die Spitzentöne sitzen sicher und strahlend. Ralph Ertel (ebenfalls ein Gast) ist ein metallischer, fast heldischer Tenor, der für die Erik-Partie Sonderapplaus einheimst. Nicht gerade bei Wagner heimisch, aber wunderbar lyrisch legt der junge Tenor Woongyi Lee die Steuermann-Partie an. Matthias Wippich ist ein sonorer Daland. Das kann sich alles bestens hören lassen, auch in den gut gearbeiteten Ensembles. Neben engagierter Sangesleistung zeichnet den Chor eine erstaunliche Spielfreude aus.

Ausgeklügelte Lichtregie: Da gibt es, auch dank der zwischen Heute und Fantasy changierenden Kostüme von Mechthild Seipel immer viel zu sehen. Die aus großen Bullaugen glotzende Einheitsbühne von Roy Spahn kann viel, auch durch eine ausgeklügelte Lichtregie. Wenn am Ende die kleine Senta den Gaze- Vorhang herunterreißt und eine entlarvte Horde Spießer zurücklässt, kracht der Regiekonzept-Hammer ein letztes Mal hernieder. Wagner hält es aus. Das Publikum hat kaum Einwände.

Ursula Hartlapp-Lindemeyer, Das Opernmagazin, 12.11.2022

Seefahrerromantik und ein überraschendes Ende

Diese Inszenierung ermöglicht jungen Opernbesuchern einen Zugang zum Stück und Kennern des Werks eine faszinierende und bildstarke Umsetzung der Seemannsromantik und des Mythos vom fliegenden Holländer mit einem überraschenden Ende.

Die Ouvertüre beginnt mit einem Film der ungestümen See, bei dem die Wogen hochschlagen. Dann sieht man auf der Bühne eine Seemannsfamilie. Der Vater, offensichtlich Kapitän, geht wieder in See und lässt Frau und Tochter zu Hause. Das etwa 13-jährige Mädchen liest viel und macht sich ein Bild des fliegenden Holländers. Ein Schiff mit blutroten Segeln ist unter ihren Spielsachen. Der „Holländer“ ist ein Untoter, der seit Jahrhunderten dazu verurteilt ist, die Meere zu durchstreifen und nur alle sieben Jahre an Land gehen darf, weil er Gott verflucht hat. Wenn er eine Frau findet, die bis in den Tod treu an seiner Seite steht, darf er sterben. Eine absolut charismatische romantische Sagenfigur und ein alter Seemannsmythos! Markus Hovenbitzer inszeniert diese Oper aus der Sicht einer Senta auf der Schwelle zum Erwachsenwerden.

Im „fliegenden Holländer“ verarbeitet Richard Wagner eine turbulente, lebensgefährliche Überfahrt von Riga nach London im Jahr 1839, bei der er das Lokalkolorit der Seeleute und die Gewalten des Windes und der Wellen kennenlernte, die er so beeindruckend komponierte. Die Seemannschöre haben längst den Charakter von Volksliedern gewonnen. In der Inszenierung vom Roman Hovenbitzer wird die Seemannsromantik sehr bildstark dargestellt, aber auch kritisch hinterfragt, und zwar aus der Sicht der heranwachsenden Senta. Schon die Ouvertüre, zunächst mit wildem Wellengang bebildert, zeigt, wie Vater Daland immer wieder die Familie allein lässt, um auf der gefährlichen und tückischen See sein Geld zu verdienen. Das Kind Senta liest die Geschichte vom fliegenden Holländer und stellt sich vor, wie die wohl gehen könnte, wenn sie selbst Senta wäre. Auf einer Bühne auf der Bühne beginnt die Handlung in der zeitlosen Gegenwart, immer beobachtet von der jungen Senta im stilisierten Seemannskostüm à la „Fluch der Karibik“.

Dalands Schiff kann wetterbedingt nicht in den Hafen einlaufen. Man ankert an der Küste um besseren Wind abzuwarten, im Hintergrund tobt die See. Alle gehen zur Ruhe, und auch der zur Wache eingeteilte Steuermann (der junge Tenor Woongyi Lee) verschläft die Ankunft eines fremden Schiffs, dessen goldene Gallionsfigur plötzlich in die Bühne ragt. Da kommt ein Mann auf die Bühne: Dreispitz und schwarzer Gehrock wie aus „Fluch der Karibik“, lange Haare, dicker Bart. „Die Frist ist um…“ singt Oliver Zwarg,– es ist der fliegende Holländer, den Senta aus der Sage kennt. Kapitän Daland, der junge Bass Matthias Wippich, macht dessen Bekanntschaft. Nachdem er zunächst zögert wird er mit ihm sehr schnell einig, dass Senta seine Frau werden soll, weil der Holländer ihm eine Kiste mit Schätzen „für das Obdach einer einz´gen Nacht“ anbietet.

Nach der Pause geht es im Haus Dalands weiter. Mary, Sentas Amme und vermutlich Dalands Lebensgefährtin im smarten Schneiderkostüm (Eva Maria Günschmann), hat eine Brautmodenschneiderei eingerichtet, und zum Lied: „Summ und brumm du gutes Rädchen …,“ werden von den jungen Frauen des Dorfes eifrig Brautkleider anprobiert, gestichelt und genäht. Die erwachsene Senta will nicht mitmachen. Sie trägt stattdessen die Ballade vom fliegenden Holländer: „Johohoe! …“, Kernstück der Handlung, vor. Sie will diejenige sein, durch die der Unselige erlöst wird. Ingegjerd Bagøien Moe ist eine charismatische Senta, die sich mit ihrem sehr gut geführten lyrisch-dramatischen Sopran richtig in diese Vision reinsteigert.

Senta ist vom Donner gerührt, als der Holländer plötzlich in Begleitung ihres Vaters vor ihr steht. Liebe auf den ersten Blick! Das Paar Holländer – Senta ist mit Ingegjerd Bagøien Moe und Oliver Zwarg ganz herausragend besetzt. Es knistert die Luft!

Es endet mit der Vorbereitung der Hochzeit, aber der Holländer hat erfahren, dass Sentas Jugendfreund, der Jäger Erik (Ralph Ertel), glaubt, ältere Ansprüche zu haben. Und Senta ist entsetzt, dass der Holländer sich plötzlich in genauso einen Langweiler und Trinker wie ihr Vater verwandelt. Mit gestutzten Haaren in einer adretten Kapitänsuniform ist da kaum noch ein Unterschied. Als daher der Holländer die Karten auf den Tisch legt und offenbart, er sei der fliegende Holländer, er werde jetzt ohne sie in See stechen, um sie nicht ins Verderben zu stürzen, singt sie zwar noch: „Hier steh ich, treu dir bis zum Tod“, aber dann versinkt des Holländers Schiff mit der Geistermannschaft, und die junge Senta nimmt die erwachsene Senta an die Hand und geht mit ihr in eine bessere Zukunft.

Mit dem „fliegenden Holländer“ beginnt die Serie der Bayreuth-tauglichen Opern Wagners. Es ist eine durchkomponierte Nummernoper mit gewaltigen Chören, die die Handlung tragen und mehr beitragen als nur Lokalkolorit. In der Inszenierung Hovenbitzers wird alles relativiert, weil man es mit den Augen eines klugen Kindes sieht. Die falsche Romantik, die Plackerei im Alltag, die Gefahr durch Wetter und Fluten, die das Schiff des Holländers verkörpert. Die Reduktion der Frauen auf Ehe und Familie wird zugespitzt im Brautmodensalon Marys mit einem in der Mitte stehenden Kinderwagen. Der Regisseur distanziert sich deutlich von Wagners Idee der Erlösung des Holländers durch eine sich opfernde Frau, denn so etwas kann man heute nicht mehr erwarten. Ich fand es tröstlich, dass Senta diesmal überlebt und ihren Heimatort verlässt. Es bleibt die Frage danach, was im Leben wirklich wichtig ist.

Das Bühnenbild der Bühne auf der Bühne ist nach rechts erhöht. Dadurch hat man ständig den Eindruck, in einem Schiff zu sitzen, das schief in den Wellen liegt. Bühnenfilmer Peter Issig hat hervorragende Videoprojektionen der See, die im Hintergrund immer zu sehen ist, und vor allem Großaufnahmen der Protagonisten, die live in schwarz-weiß projiziert werden, erstellt, die die Ästhetik des Kinos erzeugen. Auch die Kostüme von Mechthild Seipel sind in jeder Hinsicht eine Augenweide, auch weil sie im dritten Akt alle Frauen in Brautkleider und die Herren in Smokings bzw. moderne Seemannsuniformen steckt.

Es wird durchgängig gut gesungen, und der Opernchor und Extrachor des Theaters Krefeld und Mönchengladbach in der Einstudierung von Maria Benuymova und Michael Preiser legen sich mächtig ins Zeug. GMD Mihkel Kütson dirigiert die Niederrheinischen Sinfoniker mit flotten Tempi. Etwas schade ist, dass die Konfrontation der Norweger mit dem Geisterchor nicht szenisch umgesetzt wird, was aber beim gewählten Inszenierungskonzept durchaus Sinn macht.

Stefan Schmöe, Online Musik Magazin, 05.09.2022

Ein musikalisch sehr überzeugender Holländer!

Ein Glück, dass Wagner eine so lange Ouvertüre zum Fliegenden Holländer komponiert hat. Da lässt sich allerlei Vorgeschichte unterbringen.

Das Kind Senta, so sehen wir, verkleidet sich gerne als Pirat, soll aber nach dem Willen des Vaters mit Puppen spielen – zwecks Vorbereitung auf das spätere Leben als Ehe- und Hausfrau. […] Regisseur Roman Hovenbitzer erzählt das immerhin punktgenau zur Musik, in der es Chefdirigent Mihkel Kütson hier noch richtig krachen lässt. Das Kind Senta werden wir dann noch häufiger sehen. Sehr verändert hat sich die zur jungen Frau herangewachsene Senta allerdings auch nicht, sie trägt immer noch dasselbe Piratenkostüm.

Die Intention ist klar: Hier will eine Frau die ihr zugewiesene bürgerliche Rolle nicht übernehmen. Das ist zwei Akte lang ziemlich nah bei Wagner. […] Hovenbitzer erzählt das in einer etwas gewöhnungsbedürftigen Mischung aus Realismus und der erdachten Perspektive Sentas, aber das funktioniert erst einmal leidlich gut. Ein rostiges Schiff mit riesigen Bullaugen ist angedeutet, davor moderne Möbel (Bühne: Roy Spahn), das ist ein Raum mit genug Seemannsatmosphäre und hinreichend Verfremdung. […] Videosequenzen zeigen Bilder aus der Erinnerung, aus gerade auf der Bühne abgelaufenen Szenen, natürlich auch immer wieder das Meer. […]

Ziemlich bemüht sind die Szenen, in denen die junge Senta auftritt und oft von der erwachsenen Senta an die Hand genommen wird, manchmal umarmen sie sich auch. Dann sind es doch eher Schwestern als dieselbe Person zu verschiedenen Zeiten. Und Sentas Piratentracht sieht leider viel zu sehr nach rheinischem Straßenkarneval aus, als dass man den sich darin manifestierenden Freiheitsgedanken ernst nehmen könnte. Wenn die Spinnstube des zweiten Akts zum Shop für Hochzeitskleider umgedeutet wird, zeigt das zwar einigermaßen schlüssig, dass diese jungen Mädchen sich alle wahnsinnig aufs Heiraten freuen, aber es trägt ebenfalls zum etwas provinziellen Charakter der Inszenierung bei, die sich krampfhaft um eine Neudeutung bemüht. Ein selbstbestimmtes Frauenbild soll her, sicher, aber das dürfte doch ein wenig raffinierter entwickelt werden.

Problematisch wird dann der dritte Akt, in dem der Holländer mit der angehenden Hochzeit im Handumdrehen zum Bürger mutiert, ununterscheidbar von den anderen Herren. Ein Wechsel von Fluch der Karibik zum Traumschiff in wenigen Sekunden. So hat Senta sich “Treue bis in den Tod” ja gerade nicht vorgestellt (und plötzlich erscheinen ihr die – jetzt allesamt im Hochzeitsoutfit, aber ziemlich derangiert auftretenden Bürger als Gespenster). […] Die große Chorszene wird verschenkt, obwohl Chor und Extrachor toll singen, prachtvoll im Klang, mit großer Attacke, aber auch mit nuanciertem Piano (Einstudierung: Maria Benyumova und Michael Preiser). Nur schade, dass der Holländer-Chor elektronisch eingespielt wird. Aber die musikalischen Kontraste zwischen den feiernden Norwegern und den gespenstischen Holländern, die gibt es auf der Bühne gar nicht mehr. Da sind ja längst alle Norweger, sprich: frauenfeindliche Spießbürger, geworden. Folgerichtig schmeißt Senta ihrem Beinahe-Gatten den Brautschleier vor die Füße und zieht mit ihrem jüngeren Ich beleidigt davon. Ein Komödienschluss. Den endgültigen Ausbruch aus dem überkommenen Rollendenken hätte man mit weniger Aufwand und Umdeutung stringenter inszenieren können.

Der (noch) zum Lyrischen tendierende jugendlich-dramatische Sopran von Ingegjerd Bagøien Moe klingt manchmal noch etwas ungelenk, hat aber große Momente mit schönem, nuanciertem Piano, auch in den klug disponierten Ausbrüchen – die junge Norwegerin wird in die Partie hineinwachsen. Fabelhaft ist der kraftvolle, gut durchgestaltete Holländer von Johannes Schwärsky. Matthias Wippich gestaltet einen klangschönen, durchsetzungsfähigen Daland. Bemerkenswert der strahlende und höhensichere Erik von Ralph Ertl. Woongyi Lee als tadelloser Steuermann und Eva-Maria Günschmann als solide Mary runden ein durchweg überzeugendes Sängerensemble ab. Klara Raeder spielt die junge Senta sehr engagiert. Mihkel Kütson und die guten Niederrheinischen Sinfoniker begleiten sängerfreundlich, Kütson zeigt viel Gespür für die Situation: Mit dem Chor, mit Johannes Schwärsky an der Rampe kann es donnernd laut werden, aber nie deckt das Orchester die Sänger zu. Zudem ist die Textverständlichkeit meistens ziemlich gut. Die Brüche zwischen den eher konventionellen Nummern und der “modernen” Musik des Holländers werden nicht abgeschwächt, aber insgesamt dirigiert Kütson sehr viel mehr aus der Perspektive der romantischen Oper denn des sich vorsichtig abzeichnenden Musikdramas. Der Geschichte kommt das allemal zu Gute, und die detaillierte Personenregie und die Musik gehen oft sehr genau Hand in Hand. Die musikalische Geschichte, die dabei erzählt wird, ist trotzdem spannender als die auf der Bühne.

Musikalisch gelingt hier ein sehr überzeugender Holländer. Szenisch überzeugt Roman Hovenbitzers Ringen um ein zeitgemäßes Frauenbild nicht so recht, und so bleibt die Regie trotz ein paar guter Szenen oft angestrengt.

Regine Müller, Opernwelt, 11.2022

Am Schluss viele Bravi für alle!

Regiseur Roman Hovenbitzer zeigt am Theater Mönchengladbach Wagners “Der fliegened Holländer” aus der Sicht einer sehr heutigen Senta. Wie das Konzept einer feministischen Piratenbraut aufgeht.

Das Wasser ist allgegenwärtig: In kräuselnden Wellen türmt es sich während der Ouvertüre auf der transparenten Projektionsfläche. Später schwappt es bedrohlich an die Bullaugen des Schiffs „Conquerer Cruises“, auf dessen Deck und Unterdeck das Geschehen abläuft, dann wieder glitzert es als spiegelnde Fläche friedlich im Mondlicht. Wasser ist das Element des fliegenden Holländers, jenes Kapitäns, der bei dem Versuch, das Kap der Guten Hoffnungg zu umsegeln, Gott lästerte, und daraufhin mitsamt seiner Mannschaft dazu verdammt wurde, ruhelos auf den Weltmeeren umherzuirren.

[…] Im ersten Aufzug – der durch eine etwas überflüssige, frühe Pause getrennt wird von den beiden Folgenden – taumelt Dalands (imposant und markig: Matthias Wippich) Mannschaft (famos der präzise Männerchor!) im Sturm mit orangen Rettungswesten umher, bis der Holländer im altertümlichen Rock aus dem 18. Jahrhundert das Schiff entert. Johannes Schwärsky gibt der Titelrolle balsamisch strömendes Legato, aber auch plastisch formulierende Durchschlagskraft.

Nach der Pause dann schlägt Ingegjerd Bagøien-Moes Stunde als unkonventionelle Senta: Statt in einer Spinnstube amüsiert sich der Frauenchor in einer Schneiderei für Hochzeitskleider, während die bockige Senta wieder einmal an einem Porträt ihres Traum-Mannes strichelt, dessen Sage sie mindestens so fasziniert wie der Traum von der Freiheit auf einem Piratenschiff. Bagøien-Moe singt Sentas Ballade mit gebremstem Schaum, ihr lyrisch angelegter, angenehm timbrierter Sopran dürfte nach der Premiere noch mehr Sicherheit gewinnen, um die exponierten Töne – auch im Sinne ihrer dramatischen Bedeutung – besser auszukosten.

Man ahnt es schon: Die eigensinnige Piraten-Lady und der geisterhafte Seemann, sie kommen nicht zusammen, nicht einmal im tragischen Opfertod der Senta, der hier ausfällt. Denn Hovenbitzer lässt den Holländer in Lichtgeschwindigkeit verspießern, den Hochzeitssekt runterstürzen, bevor Senta ihm den Schleier vor die Füße knüllt. Weder des Seemanns Entwicklung, noch Sentas Rückbesinnung auf ihre Freiheit sind von Wagners Musik gedeckt, zumal mit diesem Schluss die Fallhöhe einkassiert wird.

Aber immerhin ist es eine Hau-Ruck-politisch-korrekte Lösung für die problematische Opfertod-Wendung. GMD Mihkel Kütson hält das turbulente musikalische Geschehen souverän im Griff, dirigiert sehr gradlinig, könnte etwas nachgiebiger und lustvoller die Höhepunkte ansteuern, ermuntert aber zu feinsten Bläser-Soli. Am Schluss viele Bravi für alle, nur leichtes Missbehagen mit der Regie.

Uli Rehwald, ioco – Kultur im Netz, 01.02.22023

Die “geglückte” Entzauberung des Holländers

Eine der ganz großen, bekannten und beim Publikum beliebten Opern, Der fliegende Holländer, stand am 29.1.2023 auf dem Programm: Nicht in Paris oder Mailand, sondern am Niederrhein, in Mönchengladbach.

[…] Musikalisch ist die Oper ja eigentlich nicht zu verbessern. Mit seinem frühen Musikdrama schildert Wagner überwältigend genau die zutiefst opernhaften Seelenzustände der beiden Protagonisten auf Basis seiner genialen Musik. Verbessert werden kann das wohl nur noch in dem Zusammenwirken der heutigen Möglichkeiten von Bühne, Video, Kostümen und Beleuchtung. Dann kann eine Aufführung geschaffen werden, die das Werk beispielhaft unterstützt. Und genau das gelingt dem Regisseur Roman Hovenbitzer hier und heute in Mönchengladbach.

Vom ersten Moment an glaubt man sich mitten im stürmischen Meer zu befinden. Intensive Videos von Wogen, Wind und Wetter. Das ganze Opernhaus schwankt scheinbar mit, man möchte sich am Sessel festhalten. Während der Ouvertüre wird neben den Meeresgewalten zusätzlich auch die Geschichte miterzählt, wie Senta als Kind zu ihrer Schwärmerei gekommen ist. Das Meer und die Elemente (fast so etwas wie die geheime „Hauptperson“) werden durchgängig und bildstark erfahrbar über die Videos gezeigt. Zeitweise glaubt man, wirklich in einem Schiff zu sein. Und sieht durch 3 große Bullaugen auf Meer und Himmel.

Ja, das will man sehen: Starke, wirkmächtige Symbole an der richtigen Stelle, passend zur Musik. Alles an Bühne, Videos, Licht reißt geradezu hypnotisch mit in die Handlung hinein. Die Regie kriegt heute ganz sicher keine Buh-Rufe.

Das Personenkonzept von Roman Hovenbitzer stellt nicht den Holländer, sondern die junge Senta in den Mittelpunkt. Und stellt ihr auch (von Wagner so nicht vorgesehen) ein Kind als kleine Senta zur Seite, das schon früh dieser Sagengestalt in Büchern begegnet, sich als Pirat verkleidet.

Und nach 2 Akten glaubt man, endlich mal eine Oper zu sehen, die richtig gut gemacht auch tatsächlich genau am ursprünglichen Werk bleibt. Doch da biegt Hovenbitzer auf einmal rasant und ohne Ansage vom Normal-Ablauf ab. Im dritten Akt wird das Stück anders als von Wagner gedacht. Die mythische, sagenumwobene Heldengestalt des Holländers in der Kapitänsuniform der vergangenen Jahrhunderte ist auf einmal entzaubert. Der Mythos verfliegt mit der schlechtsitzenden weißen Uniform eines „Traumschiffkapitäns“, die er jetzt trägt, zivilisiert mit kurzem Haarschnitt. So blass, so angepasst, so leblos im Kreis der anderen Normal-Männer, sich gemeinsam mit ihnen betrinkend. Völlig entzaubert steht er da, der Holländer. Senta – schon im Brautkleid – kriegt auf einmal Schnappatmung. Hat sie das so gewollt? Nein, sicher nicht. Sie wollte das Abenteuer, die Lebendigkeit ihrer großen Illusion. Und so entscheidet sie sich ganz zum Schluss: Der Holländer wird – und das ist die Überraschung – eben nicht erlöst. Nein, Senta erlöst sich selbst von ihrer Wahnvorstellung, vom Opfertod. Schlüpft aus dem Brautkleid wieder hinein in die Piratenuniform. Nein, einen tumben Traumschiffkapitän will sie nicht. Und sie geht entschlossen den eigenen Abenteuern, ihrem eigenen Leben entgegen. Das ist starker Tobak heute zum Schluss, atemlos verfolgt das Publikum diesen fulminanten und so anderen Endspurt der Oper. Großartig. Ja, warum sollte sie sich eigentlich opfern, diese starke, junge Frau? Für einen versagenden, entzauberten Mann?

Die Sänger tragen den heutigen Abend natürlich auch im besten Sinne. In der Titelrolle als Holländer überzeugt Oliver Zwarg mit Präsenz, großer Klangfülle und bester Textverständlichkeit. Seine dämonische Zerrissenheit, seine Verzweiflung, sein Verfluchts-Sein, der übermächtiger Erlösungswunsch. Alles liegt in seinem Timbre.

Ingegjerd Bagøien Moe als Senta singt nicht nur ihre große, wirklich schwierige Ballade meisterhaft. Kaum zu entscheiden, was großartiger ist: ihre berührende Innigkeit oder ihre strahlende Explosivität. Und dann spielt sie auch noch so überzeugend.

Das Sänger-Ensemble runden ab: Matthias Wippich als wirklich starker Daland, Woongyi Lee als spielstarker Steuermann und Eve Maria Günschmann als präsente Mary. Auch der Chor, heute durch einen Zusatzchor verstärkt, stellt fast eine Hauptperson der Oper dar. Stimmgewaltig und doch präzise einstudiert von Michael Preiser, auch mit enormer Spielfreude.

Gerne schreibe ich an dieser Stelle über „den einen magischen Opern-Moment“ in der erlebten Aufführung. Das wäre heute ziemlich viele Momente. Hier nur zwei davon

Bei der Ouvertüre ist nur „Hören“ (sonst eigentlich schon ein Superlativ) tatsächlich eindeutig zu wenig. Die Musik zusammen mit den dramatischen Seegang-Videos und gleichzeitig die schmerzhaft-entgleisende Kindheitsgeschichte ist definitiv magisch. Die atemlose Spannung am Schluss (wie um Himmels Willen geht diese Neudeutung von Hovenbitzer aus?). Die Niederrheinischen Sinfoniker unter der Leitung von Mihkel Kütson tragen das Ereignis mit großem Klangkörper spannungsvoll und differenziert.

Unbedingt erwähnt werden müssen Roy Spahn (das gelungene maritime Bühnenbild), Mechthild Seipel (Kostüme), Peter Issing (diese Videos mit ihrer unglaublichen Sogwirkung) und Ulrike Aistleitner (Dramaturgie), ohne die das heutige Gesamtkunstwerk eben keines geworden wäre. Man möchte sich erzählen lassen, wie sie das zusammen hingekriegt haben.

[…] Langanhaltender, begeistert Applaus für alle Beteiligten. Und natürlich viele Bravorufe für die beiden Hauptfiguren.

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