Eine Familie flüchtet aus Kabul nach Berlin und ist froh, in Sicherheit zu sein. Die Frau freut sich über neu gewonnene Freiheiten, der Mann legt alte Gewohnheiten ab und probiert neue an. Eine achtlos weggeworfene Bananenschale aber bringt alles ins Wanken. Sollte das Schicksal es doch nicht wollen, dass sie hier ankommen?
Der afghanische Schriftsteller Taqi Akhlaqi hatte eigentlich geplant, anderthalb Jahre mit seiner Familie in Berlin zu verbringen, von Herbst 2021 bis Winter 2022. Nach dem Berliner Stipendienaufenthalt wollte er in seine Heimat zurück. Die Machtübernahme der Taliban in Kabul hat die Rückkehr verhindert.
Auf ungewisse Zeit herausgefordert, in Deutschland eine zweite Heimat für sich und seine Familie zu finden, setzt sich Taqi Akhlaqi in seinem Theaterstück für das Gemeinschaftstheater mit der Schwerarbeit der Neuverwurzelung auseinander, die auch Regisseur Nasir Formuli kennt. Der aus Kabul stammende Theatermacher lebt mit seiner Familie seit 2015 im deutschen Exil.
Von Christina Schulte, 23.09.2024, RP KrefeldDie Geschichte einer Flüchtlingsfamilie in Deutschland – was leicht beginnt, wird schwere Kost
“(…) Das Stück „Ohne Tee kann man nicht kämpfen“ ist eine Momentaufnahme unserer Gegenwart. Die einzelnen Schicksale, die des Ehepaars und der Anwältin, ihre Verzweiflung und ihre Hoffnungen prallen auf einen deutschen Rechtsstaat mit zahlreichen Regulierungen. Omid und seine Frau Sahar haben beide ihre eigenen Geschichten. Omid ist stark in seiner familiären Vergangenheit verhaftet, träumt vom Schatten seines Großvaters und kehrt schließlich zur Sprache seiner Väter zurück. Sahar strebt in eine Zukunft mit Freiheit. Die Figur Hans bleibt äußerst blass, er hat eigentlich gar keine Geschichte. Die deutschen Behörden und auch die deutsche Gesellschaft werden pauschalisierend beschrieben als preußisch-obrigkeitshörig. Und so schwindet mit dem Fortlauf des Stücks der Humor, die Bitterkeit nimmt zu – und überall herrscht große Betroffenheit. Als Zuschauer hätte man gern ein glückliches Ende. Was es gibt, ist ein kleines bisschen Hoffnung auf eine neue Freiheit.”
Von Christian Oscar Gazsi Laki, 23.09.2024, WZ KrefeldFluchtdrama, Kafka oder Puppenspiel?
“Es geht um die Lebenssituation eines aus Afghanistan geflüchteten Paares. Zwischen Identität, dem Wunsch der Assimilation, zwischen Hoffnung und Frustration, Ideal und Realität, Nostalgie und Wahrheit bewegen sich die Hauptprotagonisten Sahar (verkörpert durch Lamis Ammar) und ihr Mann Omid, gespielt von Cornelius Gebert. Und ist das Thema auch so ernst, durchzieht die gesamte Produktion eine gewisse spielerische Leichtigkeit, ein bisweilen offener oder auch subtextueller Humor – nicht zuletzt evoziert durch die Personenführung, durch Sprechweise, Gestik und auch Mimik der Figuren, die überzeichnet scheinen. Gebert etwa bewegt sich in seiner Rolle fast unentwegt an der Grenze zu einer Überdrehung in ein aufgesetztes Pathos. Traumsequenzen aus der Biografie Omids, tief sitzende Wunden aus der afghanischen Vergangenheit, scheinen realer, scheinen wirklicher als die vermeintliche deutsche Wirklichkeit, in der sich das geflüchtete Paar eingerichtet hat – die aber mehr als bedroht scheint. (…) Schließlich ploppt Kafka ganz explizit auf. Omid als Gregor Samsa, der sich in ein Insekt verwandelt sieht. Omid als K. aus Kafkas „Process“, aber auch als K. aus „Das Schloss“. Die Assoziationen sind nicht abwegig – schon vorher nicht. Motive aus beiden „Welten“ könnten erkennbar sein. Und trotzdem wird die Inszenierung nie substanziell bedrückend. Was weniger am Text Akhlaqis, als mehr an den Entscheidungen des Regieteams liegt (Dramaturgie: Martin Vöhringer). Ob das gut ist, ob das funktioniert? Das muss am Ende jeder Betrachter für sich entscheiden.
Das Stück, das in dieser Saison in der Reihe „Außereuropäisches Theater“ des Theaters Krefeld und Mönchengladbach noch einige Male auf der Studiobühne in der Krefelder Fabrik Heeder läuft, lässt vielleicht einige Fragen offen. “
Angela Wilms-Adrians, RP Mönchengladbach, 15.4.2024Ein Stück über die Schwierigkeit, neue Wurzeln zu finden
“Worte und Klänge einer fremden Kultur entführen zu Anfang atmosphärisch in die Ferne. Die vorgegebene Spannung zwischen Nähe und Ferne, zwischen Realität und Alpträumen in Erinnerung an Verlorenes und Gefürchtetes prägt die Inszenierung von Taqi Akhlaqis Theaterstück „Ohne Tee kann man nicht kämpfen“. Das Theaterensemble zeigt die Uraufführung in der Reihe „Außereuropäisches Theater“ auf der Studiobühne in der Inszenierung von Nasir Formuli und Bruno Winzen. […] Gebert mimt eindringlich innere und äußere Kämpfe der Hauptfigur. Er lässt teilhaben am Willen, der unbedingten Integration, an Ängsten und vor allem an wiederkehrenden Alpträumen. […] Lamis Ammar stellt Omids Ehefrau Sahar als lebhafte junge Frau dar, die rebellischer als ihr Mann auf Integrationserwartungen reagiert. Sie zeigt die Entwicklung der anfänglichen Furcht ihrer Protagonistin vor der neuen Freiheit hin zum Wunsch nach mehr Selbständigkeit. […] Nele Jung gibt die einbestellte Anwältin Lisa Müller zunächst geschäftsmäßig, doch auch sie lässt an ihrer Figur Narben eines Heimatverlusts erkennen. Insbesondere an ihrem Part werden auch Klischees und Vorurteile bedient. Bruno Winzen spielt zwei konträre Charaktere, den strengen Polizisten und den sanftmütigen Sprachpaten Hans. Das Premierenpublikum dankte mit anhaltendem Beifall.”