Die Psychologin Chris Kelvin wird zur Raumstation auf Solaris geschickt, einem weit entfernten Planeten, dessen rätselhafter Ozean anscheinend ein lebendiges Wesen ist. Ein fremdes Wesen, das die Menschheit seit Jahrzehnten zu erforschen versucht. Gleich bei ihrer Ankunft erfährt Kelvin vom Selbstmord eines Besatzungsmitglieds. Die zwei verbliebenen Wissenschaftler, der Kybernetiker Snaut und der Biochemiker Sartorius, wirken verstört und werden von seltsamen „Gästen” heimgesucht. Auch Kelvin bekommt nach kurzer Zeit Besuch und sieht sich mit ihrer Vergangenheit konfrontiert: Sie begegnet Harey, ihrem Mann, der vor vielen Jahren Selbstmord beging, nachdem sie ihn verlassen hatte.
Über verschlungene Backstage-Pfade führen Bruno Winzen und sein Ensemble eine Gruppe unerschrockener Zuschauer durch das Mönchengladbacher Theater, auf der Suche nach dem Geheimnis der Raumstation und des Planeten Solaris.
Fantastische Reise durchs Theater
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[…] „Solaris“ heißt der berühmte, mehrfach verfilmte Science-Fiction-Roman des polnischen Autors Lem, den Schauspieler und Regisseur Bruno Winzen in eine ganz famose Form gegossen hat, um daraus eine „phantastische Theater-Expedition“ zu machen. Im Mittelpunkt der Geschichte eine Raumstation auf einem Planeten, die von einem großen geheimnisvollen, offenbar intelligenten Meer „bevölkert“ wird. Vergeblich hatten Wissenschaftler sich auf diesen Ozean einen Reim zu machen versucht. Doch nun geschehen sonderbare Dinge, es tauchen eigentlich längst tote Menschen auf. Psychologin Kris Kelvin wird zur Raumstation geschickt […] und trifft dort auf eine „Kopie“ eines verstorbenen Liebhabers […]. Auf Wissenschaftler, die versuchen, der Lage Herr zu werden. Das Publikum, das im Foyer von Carolin Schupa, alias Kelvin, aufgegabelt wird, wird spielerisch indes soghaft in das Geschehen eingeführt. Soll durch das Labyrinth des Theaters, alias der Raumstation, folgen. Es geht tiefer und weiter in die Hinterbühne. Es kommt zu Begegnungen, zu dramatischen Momenten, etwa mit Snaut, treffsicher verkörpert von Ronny Tomiska, oder mit Sartorius (herrlich selbst gespielt von Bruno Winzen), der indes nur als Video-Projektion und Stimme aus der Ferne zugegen ist. […] Zentrale Figur[…] ist Schupas Kris Kelvin. Angelegt, mit durchaus raffinierter Bandbreite an Charaktermerkmalen, lässt Schupa Raum für Projektionen. […] (G)erade im Detail, in der kleinen Geste offenbart Schupa Feingespür für Tiefgang. Schupas Kris ist gradlinig, schlagfertig und dann wieder glaubhaft verletzlich. Überaus poetische Momente gelingen der Inszenierung von Winzen an mehreren Stationen – an einigen darf das Publikum auf Stühlen Platz nehmen, an anderer Stelle miterlebt es stehend. Es gibt geschickte Einbeziehung baulicher Gegebenheiten, wie Aufzüge. Ein wenig wird auch mit Licht (Bühne und Kostüme: Udo Hesse) und Klang gespielt. […] Viel Applaus für das gelungene Experiment, das am Ende sogar für ein Aufeinanderstoßen von Sphären sorgte – ganz real durch eine aufgebrachte, etwas verwirrte, Passantin auf dem Theaterplatz, die ihren Weltschmerz hinausschrie. Das ist eine andere, wahrscheinlich auch tragische Geschichte.
WZ, Krefeld, 13.09.2022, Christian Oskar Gazi Laki
,Solaris‘ spielt in den Fluren des Theaters
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Am Ende steht Psychologin Kris Kelvin auf dem Dach des Stadttheaters und ruft: „Welch eine Aussicht!“ Dem stimmte das naturgemäß kleine Publikum bei der Premiere von „Solaris“ mit einigen Bravi und einigem Applaus zu. Das Dach ist Endstation einer Forschungsreise, die Science-Fiction-Autor Stanislaw Lem seine Figur Kris Kelvin 1961 antreten ließ. Die Psychologin (Carolin Schupa) ist 16 Monate lang im Raumschiff „Prometheus“ unterwegs gewesen, um auf der Raumstation „Solaris“ nach dem Rechten zu schauen. Im reinweißen Anzug, hochgeschlossen, kommt sie zuversichtlich am Ziel an – und dann ist alles ganz anders. […] Regisseur Bruno Winzen [hat] sich etwas sehr Besonderes überlegt. Das Publikum kommt nicht einmal in die Nähe der Bühne, sondern streift mit Kris Kelvin – im Roman […] ein Mann – durch das Innere des Hauses. Was sich als duchaus anstrengend erweist. Treppauf, treppab, durch enge schmale Gänge oder in sich weitende Räume. Mal herrscht dämmriges Licht, mal rotes, mal gelbes und mal grelles […] Die Anstrengung bleibt aber nicht in den Knochen, sondern wird transponiert in die Auseinandersetzung mit der Frage nach der Identität , mit der Frage nach Erinnerung und Schuld. Und es geht auch um die Frage nach der Erkenntnisfähigkeit des Menschen und den Grenzen seiner Wissenschaft.
RP, Krefeld, 13.09.2022, Christina Schulte