Fünf Dienstmädchen, Anne, Tillie, Clara, Flo und Effie, treten in dieser englischen Komödie des Jahres 2022 aus ihrem Schattendasein heraus und nehmen das Publikum mit auf einen wilden Ritt durch Jane Austens Roman-Klassiker von 1813 – gespickt mit Pop-Songs der letzten Jahrzehnte. Die Fünf führen uns durch die illustren Welten ihrer (mehr oder weniger) reichen Herrschaften – und spielen dabei auch gleich sämtliche Rollen: Die fünf selbstbewussten, unverheirateten Töchter der Familie Bennet sowie deren Mutter, aber ebenso deren (mehr oder weniger) famose Heiratskandidaten: Den ‚schmierigen‘ Vetter Collins, den ‚liebenswürdigen‘ Charles Bingley oder den ‚zu Negativität neigenden‘ Fitzwilliam Darcy und noch viele mehr.
Der englischen Autorin Isobel McArthur ist eine preisgekrönte Komödie gelungen, die in Windeseile auch die Bühnen hierzulande erobert.
Von Christina Schulte, 25. März 2025, Rheinische Post KrefeldSchrilles Karaoke-Treiben auf Jane Austens Heiratsmarkt
“Ein vergnügliches Spiel um Liebe und Heirat mit ironisch übersteigerten Figuren: Das Premierenpublikum feierte „Stolz und Vorurteil* (*oder so)“ mit standing ovations. […] In dieser Inszenierung sind auch die anderen Figuren wie aus der TV-Serie Denver Clan oder der Musikszene der 80-er importiert: Esther Keil ist als Mrs Bennet eine schrille Pink Lady mit Dekolleté für 17 Personen, Eva Spott bekommt als Charlotte Lucas eine Extraportion Popo in das Kleid gestopft und Kristina Gorjanowa ist die rothaarige Elizabeth in grünen Pailletten mit Schoßhund. Alle tragen Frisuren wie Staubwedel und werfen diese Mähnen gerne zurück. Helena Gossmann ist ein George Wickham mit Plastikbrust und Elisa Serauky muss einen aufgeblasenen Mister Collins spielen – ein unglückliches Michelinmännchen. Für die Darstellung, die Wechsel, das Tanzen und Singen haben die fünf ein großes Kompliment verdient. […] Roman und Theaterstück sind stilsichere und wortgewandte Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Verhältnissen, mit ökonomischer Abhängigkeit und Selbstbestimmung um die Wende zum 19. Jahrhundert. McArthur gibt dann noch eine Portion Feminismus hinzu, indem sie das Hauspersonal als treibende Kräfte darstellt. Das gelingt im Stück auch mit den Songs aus den 80-ern, die nach Auffassung von McArthur mit ihren Lyrics um genau dasselbe Thema, nämlich die Liebe, kreisen.”
Von Dieter Mai, 04. September 2023, Rheinische Post MönchengladbachEin famoser Theaterabend
“[…] Immer wieder zur Schau gestellte Künstlichkeiten und Übertreibungen korrespondieren trefflich mit den unbeholfenen Versuchen der von den schauspielernden Dienstmädchen dargestellten Charaktere, die angestrebten existenzsichernden Vernunft-Verbindungen moralisch zu legitimieren. Echte Gefühle tauchen überraschend da auf, wo man sie am wenigsten vermutet: Ausgerechnet die schnulzigen 1980er-Pop-Hymnen von Madonna bis Boy George und von der „Lady in Red“ bis „Boys don’t cry“ schaffen Momente mit Würde und Haltung. So wird der ebenso muntere wie tragische Beziehungsreigen zur fulminanten Karaoke-Show, die der Darstellerinnen-Riege alles abverlangt. Physisch, stimmlich und schauspielerisch. Der großen Aufgabe widmen sich alle Frauen mit Verve, ansteckender Spielfreude und Einsatz bis zur Erschöpfung. […] Verblüffend stimmig stellt die Autorin dem prüden Zeitgeist jener Epoche die bonbonfarbene Künstlichkeit der 1980-Jahre-Ästhetik an die Seite. Und sie lässt die Männer im Stück von den Frauen darstellen, die sich dieser Aufgabe gnadenlos und mit spürbarer Spielfreude widmen: Da schrumpfen die am längeren Machthebel sitzenden Kerle durchweg zu emotionalen Legasthenikern.”