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Schauspiel

Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Von Alina Bronsky // In einer Bühnenfassung von Verena Meis Leitung Besetzung

24. November 2024 – 22. Januar 2025

Dauer 100 Minuten ohne Pause

„Der Oregano weckte mich und flößte mir Angst ein.“ So lauten die ersten Zeilen eines traditionellen tatarischen Liedes. Heimisch-unheimliche Kräuter und nationale Speisen spielen in Alina Bronskys Roman „Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche“ nur eine Nebenrolle. Das Attribut „scharf“ trifft vielmehr auf die stolze Tatarin Rosalinda zu: die ausgekochteste Großmutter aller Zeiten, die entschlossen die Fahne des Matriarchats hochhält. In blinder Fürsorge kämpft sie um Tochter Sulfia, Enkelin Aminat und ein Familienleben nach ihren eigenen Zutaten.

Hier durchmisst die Geschichte den Raum, sie spinnt Fäden, umgarnt Fluchten und Figuren, die sich der gewaltsamen Verstrickung nicht entziehen können. Alla Bondarevskaya tastet in ihrer Inszenierung, die in dieser Spielzeit direkt in beiden Städten des Gemeinschaftstheaters Premiere feiern wird, die Geschichte auf ihr inneliegende Gesten und Gebärden ab und fragt: Wie sehen die zwei Seiten eines Daseins zwischen zwei Kulturen aus? „Du wirst verdorren wie der Oregano, wenn Du Dich entwurzelst aus dem Land Deiner Geburt“, heißt es weiter im Lied.

Alina Bronsky, geboren 1978 in Jekaterinburg, verbrachte ihre Kindheit auf der asiatischen Seite des Ural-Gebirges. Ihr Debütroman „Scherbenpark“ wurde zum Bestseller und fürs Kino verfilmt.

Illustration: © Peter Schmitz

Von Christina Schulte, 9.9.2024, RP Krefeld

Stehende Ovationen für neue Heeder-Aufführung

“In der Fabrik Heeder ist mit „Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche“ wieder einmal ein Roman in ein Theaterstück verwandelt worden. Für die beiden Schauspieler Kristina Gorjanowa und Christoph Hohmann und das gesamte Ensemble gab es vom begeisterten Premieren-Publikum stehende Ovationen.

Schauspieldramaturgin Verena Meis hat die Bühnenfassung des Romans von Alina Bronsky erstellt; Alla Bondarevskaya, seit 2019 als Regieassistentin am Hause, hat Regie geführt. Kristina Gorjanowa ist Rosalinda, die Erzählerin in diesem gehaltvollen, vielschichtigen Stück, während Christoph Hohmann alle anderen Figuren verkörpert. (…)

Das Publikum ist so fasziniert von der Erzählung Rosalindas, dass es auf der Bühne stehenbleibt. Mit einem freundlichen „Die stehen ja immer noch da“ wird es auf die Plätze gescheucht. Rosalinda hat inzwischen sehr deutlich gemacht, dass sie nichts von ihrer Tochter Sulfia hält – erst sehr viel später erfährt man von den zahlreichen Abtreibungen, die sie hatte vornehmen lassen. Und da sagt sie auch: „Die nächste Seele ließ ich leben.“ Das ist in dem ganzen Stück so: Die Schicksalsschläge und die historischen Bezüge sind in Nebensätzen versteckt. Der Zuschauer ist sehr gefordert, sich das Bild zusammenzusetzen; das Bild einer dominanten Frau und das Bild der russischen Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. (…)

Dass Regisseurin Alla Bondarevskaya vom Tanz kommt, ist den Figuren deutlich anzumerken. Hohmann liefert mit den verschiedenen Personen eine großartige Leistung ab. Manchmal ist er auch komisch, aber das Lachen bleibt beim Publikum im Halse stecken. Auch Gorjanowa meistert ihre Rolle hervorragend – enorm, wie sie diese 100 Minuten auf der Bühne Präsenz zeigt und die Gefühle dieser Frau vermittelt.”

Dietmar Zimmermann, Theater pur, 16.10.2024

Dominante Großmutter

“Ist Alina Bronskys Roman respektive die Theaterfassung von Verena Meis eine Komödie oder eine Tragödie? – Die Antwort auf diese Fragen hänge von der Verfasstheit der Leserinnen und Leser (respektive der Zuschauerinnen und Zuschauer) ab, meint die Autorin. Und genau deshalb wird aus einer Inszenierung, die relativ boulevardesk beginnt, ein toller, berührender Theaterabend.

Vom weiteren Verlauf der Handlung wollen wir nicht erzählen. Kristina Gorjanowa als Rosalinda erzählt dafür umso mehr – die Figur der temperamentvollen, egoistischen, übergriffigen und doch stets den Kalamitäten des Lebens mit guter Laune entgegentretenden Frau wächst einem ans Herz. Wie die Schauspielerin am Ende den recht abrupten Stimmungswechsel bewältigt, ist herausragend. Christoph Hohmann spielt sämtliche anderen Rollen: diverse Gatten und potentielle Liebhaber, die Tochter Sulfia, die Enkelin Aminat und andere mehr. Sie alle sind wortkarg, introvertiert, irgendwie verkrampft – skurrile Underdog-Gestalten halt. Alla Bondarevskaya inszeniert die beiden Schauspieler so, als kämen sie aus zwei verschiedenen Theatertraditionen: Hohmann karikiert und legt maximalen Abstand zwischen sich und die Rollen, Gorjanowa spielt eher realistisch. Das ist ein reizvoller Kontrast, der jedoch auch der literarischen Figurenzeichnung entspricht. Ein wenig Russen-Pop trennt die einzelnen Szenen voneinander; ansonsten arbeitet die Inszenierung mit kargen, aber durchaus phantasievollen Theatermitteln.”

Von Gabriele M. Knoll, 9.9.2024, WZ Krefeld

Leicht chaotische Familiengeschichte

“Um Punkt 20 Uhr öffnet sich die Tür zum Saal und Rosalind (Kristina Gorjanowa) tritt mit einem Wäschekorb auf der Hüfte herein. (…) Ihre einzige Tochter Sulfia ist mit 17 Jahren schwanger geworden und sie fragt sich: „Was kann ich für Sulfias Zukunft und meinen guten Ruf tun!“ Die Rolle der Tochter übernimmt Christoph Hohmann, wenn er mit einem langen roten Wickelrock bekleidet agiert. Seine Auftritte sind eher wortkarg, denn gegen Rosalindas Auftritte, in denen sie einerseits ihren Part spielt, andererseits aber auch das gesamt Buch als Erzählerin wiederzugeben scheint, hat er selbst von seinen vielen Rollen in dem Stück, kaum eine Chance.

Eine witzige Idee, die sich als roter Faden durch die Inszenierung von Alla Bondarevskaya zieht, sind die angedeuteten Kostümwechsel an der Wäscheleine. (…) Dominant bis übergriffig, andererseits auch mit viel Witz managt Rosalind über Jahre hinweg ihr Familienleben, wobei sie an ihrer Enkelin Aminat die Erziehungsziele umsetzen möchte, die an ihrer Tochter fehlgeschlagen scheinen. (…) Beide liefern ein turbulentes wie faszinierendes Spiel, für das das Publikum am Ende alle Register des Lobes und Danks zieht. Wer nun doch Einblicke in die tatarische Küche haben möchte, kann immerhin noch zum Programmheft dieses Schauspiels greifen. Darin gibt es ein kleines Comic-Kochbuch mit tatarischen Rezepten. Für Kullama müssen Sie nur noch einen Pferdemetzger finden.”

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