„In welches Dorf habe ich mich verirrt? Ist denn hier ein Schloss?“
Bei der Ankunft eines Mannes im Wirtshaus eines nächtlich verschneiten Dorfes scheint alles unbestimmt, fragwürdig, unheimlich. Obwohl K., wie er genannt wird, behauptet, er sei der vom Schlossgrafen berufene Landvermesser, weist ihn die Dorfgemeinschaft kalt ab. Doch K. kämpft beharrlich um seine Anerkennung, um die Legitimation seiner Existenz. Dabei ist er undurchsichtigen Hierarchien ausgeliefert und wird abgefertigt von Beamten und Funktionären, die alle einem fremden Willen unterworfen scheinen. Das nahegelegene Schloss offenbart sich als eine überaus komplexe, undurchdringliche Behörde, die K. bis zuletzt die eindeutige Auskunft über seinen Status verweigert. Scheinbar Verbündete, wie die Kellnerin Frieda und der Schlossbote Barnabas, geben K. Hoffnung, sowohl auf eine Verbindung zum Schloss als auch auf menschliche Nähe. Doch in einer Welt, deren Gesetze K. nicht zu entschlüsseln vermag, droht er sich selbst zu verlieren, denn wer oder was er für sich und die anderen ist, bleibt bis zuletzt in der Schwebe.
Das Schloss, Franz Kafkas 1926 posthum veröffentlichter letzter Roman, gehört zu den großen des 20. Jahrhunderts. Trotz vielfältiger Interpretationsversuche entzieht sich seine Fragment gebliebene Erzählung der Eindeutigkeit und bleibt so seine geheimnisvollste.
Von Sigrid Blomen-Radermacher, Rheinische Post Mönchengladbach, 25. März 2025Über das Anderssein in der Fremde
“Die Tatsache, dass alle außer dem von außen kommenden K. ein auf den ersten Blick einheitliches Gesicht haben, macht dessen Anders-Sein, Fremd-Sein, Eindringen in eine unbekannte Gesellschaft beklemmend deutlich. Dieses Anders-Sein in der Fremde wird noch verstärkt dadurch, dass die Bewohner des Dorfes, in dem das Schloss den mysteriösen Mittelpunkt bildet, sich mit gebührendem Abstand um K. herum bewegen und ihm gegenüber damit ihre Einheit deutlich betonen. […]Die Geschichte bietet vielmehr eine Projektionsfläche für unterschiedliche Assoziationen. Da geht es um das Fremd-Sein, um die Suche nach Identität und einem Lebensziel, die Sehnsucht nach Verbindung und Beziehung, da geht es um das Scheitern und das Ankämpfen gegen das Scheitern. Da geht es aber auch um die Undurchdringlichkeit und oftmals sinnlos gewordene (Über-)Bürokratisierung von Verwaltung – bei allen völlig überflüssigen geschriebenen Notizen, Briefen, Protokollen beginnt man zu vermuten, dass sogar Schnee, der den Landvermesser zu Beginn auf die Bühne wehte, aus geschredderten Formularen besteht. Jeder Vorgang scheint sich selbst zu behindern und unmöglich zu machen. Die Handlung grenzt ans Absurde – ja, der sprichwörtlich gewordene Begriff „kafkaesk“ wird hier mit Leben gefüllt.
Durch die Bühnenbearbeitung von Hüseyin Michael Cirpici gelingt es, diese Offenheit zu visualisieren und möglichen Interpretationen Raum zu geben. “
Von Christina Schulte, Rheinische Post Krefeld, 25. August 2023Gelungene Inszenierung von Kafkas „Das Schloß“
“Das Leben seiner Figuren ist ein Traum oder Albtraum. Die Umsetzung ist Cirpici neben der Führung der Personage auch mit Licht und Musik und besonders in der Zusammenarbeit mit Ausstatterin Trixy Royek gelungen. (…) Cornelius Gebert spielt diese Figur durchaus überzeugend und zeigt die langsamen Veränderungen, die der Mann durchläuft. (…) Das Absurde und Bizarre in diesem Stück wird durch die Auf- und Abgänge der Personen durch eine bestimmte der zahlreichen Türen unterstrichen, denn wir haben es ja nicht mit einer Tür-auf-Tür-zu Slapstick Komödie zu tun. Sondern mit einem Romanfragment, bei dem es immer um Schein und Traum, Wirklichkeit und Wahrheit geht. (…)”
Ernst Müller, Extra-Tipp am Sonntag, 25. August 2023Traum oder doch Wirklichkeit
“Mit einem funkelnden Juwel prescht das Stadttheater vor. Noch ehe das große Haus am Theaterplatz im September mit einer Oper die neue Spielzeit eröffnet, feierte die kleine Studiobühne der Fabrik Heeder am Donnerstag schon die erste Schauspiel-Premiere: „Das Schloss“ von Franz Kafka. (…) Ein Mann (Cornelius Gebert) stürzt aus der winterlichen Außenwelt in ein Gasthaus. (…) Ein Raum, der die Fülle von offenen Möglichkeiten symbolisiert und zugleich albtraumhaft beengt wirkt. (…) Solche Rollen sind für die Schauspieler ein gefundenes Fressen. Besonders Christoph Hohmann weiß wieder mal durch seine starke Ausdruckskraft und artikulierte Sprache den Rollen Charakter zu verleihen. Er verkörpert gleich fünf Personen, wie auch Paula Emmrich sowohl die Wirtin wie auch in einer Hosenrolle einen gestrengen Lehrer spielt. Nele Jung brilliert als Geliebte.”