Auf der Grundlage von Oscar Wildes aufsehenerregender Tragödie komponierte Richard Strauss 1905 ein Musikdrama voll entfesselter Leidenschaft, dessen weltweiten Sensationserfolg auch die Aufführungsverbote prüder Zensoren nicht verhindern konnten.
Den skandalträchtigen Stoff, der ursprünglich auf einer Geschichte aus dem Neuen Testament basiert, hat Strauss zu einem musikalischen Porträt des Unbewussten geformt, das den Widerstreit zwischen Sinnlichkeit und Askese des Fin de Siècle thematisiert.
Prinzessin Salome lebt am dekadenten Hof ihrer Mutter Herodias und ihres Stiefvaters Herodes. Sie projiziert ihr sinnliches Verlangen auf den Propheten Jochanaan, der von Herodes gefangen gehalten wird. Als es ihr nicht gelingt, das Herz des Propheten zu erobern, beschließt sie, seine Verweigerung zu bestrafen. Wenn sie schon nicht seine Liebe erringen kann, so will sie „zumindest” sein Haupt …
DAS SAGT DIE PRESSE
Christian Oscar Gazsi Laki, Westdeutsche Zeitung, 12.04.2022Eine “Salome” in Art déco
[…] Dorothea Herbert glänzt als stimmlich überragende Salome. Wie sie bei der Premiere der Oper am Theater Krefeld – die Produktion startete schon 2019 in Mönchengladbach – erneut unter Beweis stellte, kann sie aktuell als eine der großen Entdeckungen ihres Fachs gehandelt werden. Gratulation an Operndirektor Andreas Wendholz für die treffliche Wahl.
[…] Stimmlich über jeden auch so kleinen Zweifel erhaben, bewältigt sie diese durchaus zehrende Rolle als Salome mit gesangstechnischer und musikalisch-interpretatorischer Raffinese, mit einer niemals müde werden wollenden stimmlichen Substanz – einer sprühenden Höhe. […] Die Niederrheinischen Sinfoniker unter der energetischen Leitung ihres Generalmusikdirektors erkämpfen sich während des gesamten Abends einen satten, schön rauen, aber oft auch herrlcih vielschichtigen Strauss-Klang. Nur selten häte man sich etwas mehr Luft für die Sänger gewünscht. Mihkel Kütson geleitet sowohl sein Orchester als auch Sänger sicher durch die Partitur.
Anthony Pilavachi (Dramaturgie: Ulrike Aistleitner) verfrachtet den biblischen Stoff in eine Zeit und Atmosphäre, die fast schon paradigmatisch für “Dekadenz” steht: 20er-Jahre, Art-déco-Anklänge (Bühne und Kostüme Markus Meyer).
[…] Ein wichtiger Akzent zum Schluss: Salome erschießt Herodes am Ende. Wir erleben einen trefflich spielenden und singenden Andreas Hermann als Herodes, eine stimmige Herodias, Roswitha Chritsina Müller, und sonst auch gut agierende Rollen. Im “Cast” besonders heruasstechend der schon jüngst als Hunding in der Walküre glänzende Matthias Wippich als Erster Soldat und Susanne Seefing als ein Page, um nur einige wenige zu nennen. Hin und wieder kommt es indes zu einem Hauch zu viel Stillstand auf der Bühne. Eine aber im Ganzen sehr gelungene Produktion.
Heide Oehmen, Rheinische Post, 11. April 2022Hochspannung bei “Salome”
Richard Strauss‘ Oper begeistert das Krefelder Premierenpublikum. Regisseur Anthony Pilavachi zeigt ein brisantes Familiendrama – und die musikalische Leistung besticht: allen voran Dorothea Herbert. Sie schafft die Balance zwischen Mädchen und glutvoller Verführerin.
[…] Für die grausame Geschichte hat Markus Meyer ein funktionelles, farblich sehr ansprechendes Bühnenbild geschaffen, das vom Bühnenboden, der von der mächtigen Abdeckung der Zisterne dominiert wird, über Treppen rechts und links zu sieben goldfarbenen, hohen Türen führt, die geöffnet den Blick in einen Festsaal freigeben. Durch Öffnen oder Schließen dieser Türen wird die Handlung immer wieder gut nachvollziehbar versinnbildlicht – ein gut durchdachter Einfall.
„Ein 16-jähriges Mädchen mit einer Isolden-Stimme“, so hatte sich Richard Strauss die Salome gewünscht. Dieser Vorstellung kam die Sängerin Dorothea Herbert verblüffend nahe. Wenn auch kein Teenager mehr, so ist diese Sopranistin wirklich noch jung, sie konnte das wohlstandsverwahrloste, trotzige, gelangweilte Geschöpf, das vor allem einsam ist, glaubhaft auf die Bühne bringen. Das Spiel mit der Erotik gelang ihr überzeugend, ebenso – mittels sehr viel Stoff und Federboas – der berühmte Tanz. Aber vor allem war es diese außergewöhnlich sinnliche, in allen Lagen vor Glut bebende Stimme, die weder Höhen- noch Tiefenbegrenzungen zu kennen scheint und im Forte ebenso begeisterte wie im zartesten Piano. Bewundernswert auch, wie Dorothea Herbert sich seit der Mönchengladbacher Serie vor drei Jahren stimmlich und darstellerisch weiterentwickelt hat – eine überragende Leistung.
Johannes Schwärsky gab dem unbeugsamen, für seinen Glauben unbeirrt einstehenden Jochanaan mit raumgreifendem Bass-Bariton und großem, auch körperlichem Einsatz die angemessene Würde. Andreas Hermann mit mal stählernem, dann wieder verführerisch lockendem, ausdrucksstarkem Tenor als seine Stieftochter begehrender Herodes überzeugte rückhaltlos.
Roswitha Christina Müller war die bis in die höchsten Sopranregionen giftende Herodias. Mit edlem Tenorglanz stattete Woongyi Lee den unglücklich liebenden Narraboth aus. Die kleinen Rollen waren allesamt zuverlässig besetzt – vor allem die der fünf Juden, die ihre schwierigen Ensembles überlegen meisterten.
Mihkel Kütson am Pult hatte mit seinen groß besetzten Niederrheinischen Sinfonikern die Klangpracht und die Besonderheiten der Strauss‘schen Musik, die die Schwelle von der Spätromantik zum Impressionismus markiert, sorgfältig herausgearbeitet – Bühne und Orchester waren sich stets einig. Nur hätte der GMD zuweilen die Klangmassen etwas zurücknehmen müssen, da etwa die volumenreiche Stimme Schwärskys phasenweise nicht zu hören war. Insgesamt erlebte das spürbar gebannte Publikum einen umjubelten Premierenabend, der auch einer großen Bühne zur Ehre gereicht hätte.
Stefan Schmöe, Online Musik Magazin, 23.9.2019Psycho-Thriller im Geiste Oscar Wildes
(…) Die Inszenierung besitzt eine Genauigkeit in der Personenführung, wie man sie eher vom Schauspiel als von der Oper kennt, formuliert beispielsweise auch die Nebenfiguren bis ins Detail aus und verlangt dem Ensemble bis in Gestik und Mimik allerhand ab – was bravourös umgesetzt wird.
Das Ergebnis ist ein durch und durch fesselnder Opernabend. (…) GMD Mihkel Kütson am Pult der guten Niederrheinischen Sinfoniker findet einen überzeugenden Weg zwischen den Schroffheiten der Partitur, impressionistischen Klangfarben und süffiger Walzerseligkeit, ohne die Sänger zuzudecken. Großer Jubel für einen außerordentlich gelungenen Saisonauftakt. (…) Fazit: Empfehlenswert: Anthony Pilavechi zeichnet die Salome als höchst spannenden Krimi zwischen fin de siecle und Moderne ganz nah am Libretto, und das ungemein spielfreudige Ensemble singt mit einer tollen Hauptdarstellerin auf ausgezeichnetem Niveau.
Peter Bilsing, Der Opernfreund, 23.9.2019Werktreu spannend und geradezu elektrifizierend bis pulsbeschleunigend
(…) Weiterer Pluspunkt ist die Inszenierung des großartigen Anthony Pilavachi, die durchaus sinnstiftend im fin de siècle – also zur Entstehungszeit der Oper – angesiedelt ist. Sie ist nicht verrätselt oder verfremdet, sondern hat Hand und Fuß. Das ist Oscar Wilde pur.
Alles ist werktreu spannend und geradezu elektrifizierend bis pulsbeschleunigend… (…) Besonders erwähnenswert ist auch die sehr gute, so praktikable, wie sängerfreundlich gestaltete Bühne von Markus Meyer, der auch für die trefflichen Kostüme die Verantwortung trägt. (…) So muß Musiktheater präsentiert werden!
Die unfassbare Leistung der Niederrheinischen Sinfoniker unter dem schon fast begnadet zu nennenden Dirigat von GMD Mikhel Kütson lässt unsere sensiblen Kritikerohren regelrecht Augen machen. Ich habe die Musici in den letzten Jahren ganz selten so konzentriert und im Blechbläserglanze ganz großer Häuser strahlen gehört. Das führte letztlich zu einer Konzentriertheit des Publikums, in der man nicht nur den eigenen Atem, sondern auch die sprichwörtliche Stecknadel (Enthauptungsmusik) hätte fallen hören können. Das Premierenpublikum wurde regelrecht mitgerissen. (…) Besser und vielumjubelter kann ein Saisonstart kaum beginnen.