Schauspiel

Der Tod und das Mädchen

Von Ariel Dorfman // Deutsch von Ulli Stephan und Uwe B. Carstensen Leitung Besetzung

Dauer 1 Stunde 45 Minuten, ohne Pause

Derzeit keine aktuellen Vorstellungstermine.

Nach Jahren der Diktatur treffen in einem jetzt demokratisch regierten Land drei Personen aufeinander: Ein Rechtsanwalt, der gerade zum Vorsitzenden eines Ausschusses ernannt wurde, um Folterungen während des Unrechtsregimes zu untersuchen, seine Ehefrau, die ein Opfer dieser Folterungen gewesen ist und ein Nachbar, der Arzt ist. An seiner Stimme glaubt die traumatisierte Frau einen ihrer Folterknechte zu erkennen. Die Situation spitzt sich zu, als sie ihn, der alle Vorwürfe abstreitet, in ihre Gewalt bringt und umzubringen droht. Doch ist er wirklich der, für den sie ihn hält? Und ist die Gewalt gegen ihren vermeintlichen Folterer und Vergewaltiger gerechtfertigt?

Der chilenischer Autor Ariel Dorfman verwirrt mit dieser psychologisch genau konstruierten Extremsituation das moralische Empfinden und das Rechtsverständnis seiner Protagonisten – und er prüft das der Zuschauer im Theater.

In seiner zweiten Inszenierung am Gemeinschaftstheater, nach Deine Liebe ist Feuer, untersucht Regisseur Rafat Alzakout das Stück im Hinblick auf Parallelen zu Vergangenheit und Zukunft seiner vom Krieg gezeichneten Heimat Syrien.

WZ Krefeld, Klaus M. Schmidt, 25.04.2022

Ein schmallippiges Geständnis, das keine Lösung darstellt

Eine Anklage gegen Diktaturen? Das ist Ariel Dorfmans Stück „Der Tod und das Mädchen“ auch. Vor allem aber zeigt es, wie man die Folgen einer Diktatur nicht bewältigen kann. Ariel Dorfman, der Diktatur Chiles entflohen, hat mit seinem Stück einen Welterfolg vorgelegt. […] Nun hat es der syrische Regisseur Rafat Alzakout, der syrischen Diktatur entflohen, […] als Studioproduktion in die Fabrik Heeder gebracht. Der Regisseur und seine Ausstatterin Emilie Cognard haben das Stück von seinem südamerikanischen Hintergrund befreit und in einen zeitlosen Keller versetzt, […] – ein klinischer Ort des Horrors. Ein Zufall, den man nicht erzählen muss, führt sie hier zusammen: das weibliche Folteropfer, ihren Mann, einen Anwalt, und den vermeintlichen Folterer, einen Arzt. Sie glaubt, ihn an seiner Stimme erkannt zu haben, und bringt ihn in ihre Gewalt. […] Der Anwalt (Ronny Tomiska) sitzt zwischen den Stühlen. Er will die Stimme der Vernunft sein, muss verhindern, dass es zu dem Äußersten kommt, das man befürchten muss, wenn seine Frau mit einer Pistole hantiert. Und er will beiden helfen. […] Diesen Drahtseilakt bewältigt Tomiska mit dünnhäutiger Angespanntheit. Nele Jung gelingt ein weiterer Drahtseilakt. Die Unberechenbarkeit ihrer Figur als traumatisiertes Opfer lässt sie nicht in völlige Enthemmtheit übergehen. Mag sein, diese zeitweise Kostümierung hilft ihr dabei: Mit Zottelperücke und verschmiertem Lippenstift versetzt sie sich äußerlich wieder in das zurück, wozu sie der Folterer machte, eine willenlose Puppe.

Wer der Täter ist, bleibt bis zum Ende unklar – wie im realen Leben

[…] Adrian Linke als Arzt ringt sich schmallippig ein Geständnis ab, auch das überzeugend gespielt. […] Viel Applaus in der Fabrik Heeder für eine packende Inszenierung am Puls der Zeit.

RP Krefeld, Petra Diederichs, 25. April 2022

Drama über die Spätfolgen von Folter

Diesen Abend muss man aushalten: „Der Tod und das Mädchen“ hat durch die aktuellen Kriege erschreckende Aktualität. Eine dichte Inszenierung und großartige Schauspieler raubten dem Premierenpublikum den Atem

[…] Unvorstellbar, welche Verwüstung die Gräuel in den Seelen der Menschen anrichten, die sie am eigenen Leib erleben. Wird man das jemals wieder los? Kann der Mensch erlittene Unmenschlichkeit je überwinden? Gar vergeben? Diesen Fragen spürt der Exil-Chilene Ariel Dorfman nach in seinem Stück „Der Tod und das Mädchen“. Der Syrer Rafat Alzakout, der inzwischen in Berlin lebt, hat es 2019 für das Theater Krefeld Mönchengladbach inszeniert. […] Regisseur Alzakout nennt das Stück treffend eine „raffiniert kalkulierte Mischung aus Politthriller, Psychodrama und Strindbergiade“. An drei Figuren wird verhandelt, was Menschen Menschen antun können. Es geht um Krieg, um Folter, um Vergewaltigung. Es geht um Schuld und Eingeständnis. Es geht um Rache und Verantwortung, um den Tod und das Weiterleben. Es geht um alles. […] Die von Emilie Cognard kühl und schwarz-weiß gehaltene Bühne legt nach und nach ihre Symbolfracht offen: Bügel unter Plastikhüllen, mal leer, mal mit unschuldsweißen Frauenkleidern, hängen aufgereiht wie in einer chemischen Reinigung. Der Rückzugsort für das Paar (Nele Jung und Ronny Tomiska), das hier lebt, ist ein Glaskasten – Gefängnis und Präsentierteller zugleich. […] Nele Jung dabei zuzusehen, wie das Trauma sie überwältigt, wie sie sich hineinsteigert in den Rausch, Qual mit Qual zu vergelten, geht unter die Haut […] „Ich will, dass er gesteht“, fordert sie. Das ist der heikle Punkt. Ein derart erzwungenes Geständnis ist juristisch nichts wert. Und klar ist die Sache ohnehin nicht. Ob der Arzt tatsächlich der Peiniger ist, bleibt offen. Adrian Linke nährt die Zweifel. Er ist selbstgefälliger Macho, verbal brutal. Er bricht ein unter der Angst vor Schmerzen und Tod, lässt die Maske der Moral fallen, gesteht Lust, wenn er Qualen zufügt. […] Aber war er der Täter? An diesem Dilemma droht auch der Mann zu zerbrechen. Er soll für die neue demokratische Regierung Folterverbrechen aufdecken. Jetzt wird er zwischen den Fronten im eigenen Haus zerrieben. Ronny Tomiska zeigt die Tragödie des „Man in the Middle“, seinen verzweifelten Wunsch, zu glauben, zu vertrauen und den beharrlich zubeißenden Zweifel. Es gibt keine Gewinner – das ist die einzig verlässliche Gewissheit. […] Und im wirklichen Leben? Weitere Schreckensbilder.

Rheinische Post, Mönchengladbach, 2.12.2019, Armin Kaumanns

Was Menschen Menschen antun können

Der Syrer Rafat Alzakout inszeniert das Stück „Der Tod und das Mädchen“ des Chilenen Ariel Dorfmann fürs Theater-Studio. Ein fast unaushaltbarer Theaterabend.

Dass wir im Theater sitzen, kriegen wir gleich mit voller Dröhnung um die Ohren. Die schnellen Beats knallen aus den Boxen, Ronny Tominska brüllt im Stil eines Showmasters seine agitierenden Sätze den Zuschauern in der ersten Reihe via Mikrofon direkt unter die Gürtellinie. Hier geht gleich eine fette Show ab. […] Ein Glashaus, eingerahmt von einem Vorhang aus durchsichtigen Hüllen, in denen […] Kleider an Bügeln hängen, bilden mit der Bühne ein Quadrat, an das sich von zwei Seiten Stuhlreihen drängen. Kalt, sachlich schwarz und weiß. Eine Versuchsanordnung. (Ausstattung: Emile Cognard) […] Es geht um sehr viel. Vordergründig um Folter. Was sie mit dem Opfer macht, den Tätern, dem Staat, in dem sie stattgefunden hat und jetzt aufgearbeitet wird, um Diktaturen. […] Es geht um das, was Menschen Menschen antun können. Um Gewalt, die Gewalt erzeugt. Um Moral und die Unmöglichkeit, moralisch zu sein in einer moralischen Welt. Um das Dilemma des Menschseins. Vielleicht sogar um Gott. Wenn Regisseur Rafat Alzakout Adrian Linke als Doktor mit einer Kerze in der Hand, Glitzerschuhen und einer Windjacke, an die zwei weitere Ärmel angenäht sind, ins Leben des Ehepaares treten lässt, […] zieht er dem realistischen Bühnengeschehen den Boden unter den Füßen weg. Denn so ziemlich alles, was in den 110 Minuten erzählt wird, soll sich nicht bequem in ein „Ja, so war das“ ablegen lassen. Alzakout transformiert die Geschichte mit exzessivem Einsatz von Mikrofon und Live-Kamera, drastischem Kostüm und bis an die Grenzen gehende Entblößung der Schauspieler in eine unklare, irritierende Wirklichkeit, die um so mächtiger die Themen des Abends aufs Tapet bringt. Nele Jung entäußert grandios größte Verletztheit, ihr Partner Ronny Tominska hat sich die Rolle des Intellektuellen, dem seine Denkgebäude um die Ohren fliegen, eindringlich zurechtgelegt. Adrian Linke ist die ambivalente Doktorgestalt, der etwas Aalglattes ebenso eigen ist wie Brutalität und Naivität. Bis zum Schluss bleibt seine Täterschaft als Folterknecht in Frage. […]

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