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Musiktheater

Margarethe (Faust)

Oper in vier Akten // Musik von Charles Gounod // Libretto nach Johann Wolfgang von Goethe von Jules Barbier und Michel Carré Leitung Besetzung

19. Februar 2025 – 25. Mai 2025

Dauer Ca. 185 Minuten inkl. Pause Extras Stückeinführung vor ausgewählten Vorstellungsterminen im Theaterbistro/Gartenseite (Termine s. unten) Sprache In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Den Fall der Susanna Margareta Brandt, die 1772 wegen Kindstötung hingerichtet wurde, nachdem sie unehelich schwanger wurde und aus Panik vor gesellschaftlicher Ächtung ihr Kind getötet hat, nahm sich Johann Wolfgang von Goethe zur Vorlage der Gretchen-Handlung innerhalb seines Menschheitsdramas Faust. Der Tragödie erster Teil (1808). In seiner Inszenierung untersucht Regisseur Anthony Pilavachi die Entwicklung dieser vielschichtigen Frauenfigur, die an ihrer Verführbarkeit zu Grunde geht. „Anthony Pilavachi gelingt erneut eine absolut überzeugende Regiearbeit!” (Der Opernfreund) oder „Bei Margarethe flippen alle aus!” (Rheinische Post) urteilte die Presse nach der Krefelder Premiere in der vergangenen Spielzeit.

Zahlreiche Komponisten haben den Faust-Stoff für die Musiktheaterbühne vertont: Louis Spohr (1816), Hector Berlioz (1846) oder Ferruccio Busoni (1925) gehören dazu. Die am häufigsten aufgeführte Version stammt aber sicher von Charles Gounod (1859). Seine fesselnde und vielschichtige Komposition entführt in die romantischen Gefühle von Fausts Verlangen nach Liebe, illustriert die unheimlichen Verlockungen des Teufels und empfindet Margarethes Leiden nach. Gounods Musik demonstriert eine perfekte Balance zwischen dramatischen Höhepunkten und lyrischen Passagen.

Petra Diederichs, Rheinische Post, 11.09.23

Bei “Margarethe” flippen alle aus!

Im Theater ist der Teufel los: Sobald das Bühnenlicht verlischt, branden Beifall und Bravo-Rufe auf. Das Premierenpublikum feiert Gounods Oper „Margarethe“ völlig entfesselt. Was dran ist an Anthony Pilavachis Inszenierung.

[…] Das Licht ist kaum verloschen, da brandet im Theatersaal der Jubelsturm los. Völlig entfesselt feiert das Publikum den großen Wurf, mit dem die Spielzeit im Theater gestartet ist. Bravo-Rufe gelten nicht nur allen Solisten, sondern auch dem Chor mit Chordirektor Michael Preiser, dem Orchester mit GMD Mihkel Kütson, den Statisten sowie Regisseur Pilavachi und Tatjana Ivschina für Kostüme und ein traumwandlerisch schönes Bühnenbild, das mit Licht, Nebel und wenigen Bauten eine packende Atmosphäre schafft.

Bei dieser „Margarethe“ stimmt einfach alles. Es ist die sehr französische Version von „Faust“ – mit dem Schwerpunkt auf der Gretchen-Tragödie. Doch in der vielleicht schönsten Oper der Romantik geht es nicht nur um die Liebesgeschichte. […]

Woongyi Lee ist ein ausdrucksstarker Faust mit unterschwelligem Unbehagen, ahnend, dass die erfüllten Wünsche ein Fluch sind. Er ist zu schwach, um seinen Gefühlen für Margarethe (Sophie Witte) zu trauen. Das Duett der beiden ist eine Elegie einsamer Seelen – ergreifend. Wittes Stimme – in der Mittellage zart, in den Höhen stark und selbstbewusst – und Lees lupenreiner Tenor steigern ihre Klangschönheit bis zum Finale, wenn Faust Margarethe, die er zuvor fallen gelassen hat, vor der Todesstrafe als Kindsmörderin bewahren und zur Flucht überreden will. Doch die hat abgeschlossen. Sie hat zu viel verloren. Vom reinen Mädchen zur Ausgestoßenen, eine Verführte und Sitzengelassene, eine Schande für den Bruder. In ihren letzten Momenten ist sie eine aufrechte Frau, die zur Sühne bereit ist.

Sophie Witte zeigt diese Entwicklung mit Ausdrucksstärke und fein austariert. Auch ihre Kollegen bestechen nicht nur mit stimmlicher Qualität, sondern auch mit Darstellung. Matthias Wippich ist der maliziös lächelnde Mephisto, der mit Schicksalen spielt und mit kompaktem Bass nicht nur das Rondo vom goldenen Kalb zum Ohrenschmeichler macht. Rafael Bruck geht in der Rolle des Valentin auf, er singt hingebungsvoll und stirbt einender bewegendsten Bühnentode – seine Schwester bis zum letzten Atemzug verdammend.

Den Weg in den Untergang begleiten die Niederrheinischen Sinfoniker mit makelloser Tonmalerei. Die Harfe perlt, wenn Margarethe sich zu dem jung gewordenen Faust hingezogen fühlt. Die Hörner kündigen Gefahr an. Das Schlagwerk trommelt den Gleichschritt der marschierenden Soldaten. Und in der Kirmesszene wird das schillernde Treiben in heitersten Klängen begleitet, und wechselt rasch, wenn die Gemütslage der Figuren sich verdüstert. Das ist rund bis zum Ende. […]

Christian Oscar Gazsi Laki, Westdeutsche Zeitung, 11.09.23

Kräftezehrende Dramatik mit musikalischer Zündkraft!

Anthony Pilavachis Inszenierung von Gounods Oper „Margarethe“ nach dem Faust-Stoff beeindruckt am Theater Krefeld mit grandiosen Bildern – und kann auch teilweise verstören.

[…] Gounods Oper, die sich zentral mit dem Schicksal Gretchens – alias Margarethe – auseinandersetzt, ist eines der großen Meisterwerke der französischen Musikgeschichte; und sie ist zugleich nicht unproblematisch. Die nun stattgefundene Premiere unter dem Titel „Margarethe“ am Krefelder Haus des Theaters Krefeld und Mönchengladbach kann als eine überaus gelungene Inszenierung gefeiert werden. Striche (weglassen der Walpurgisnacht) und Umstellungen (Mordszene vor der Kirchenszene) wirken stimmig. Die Regie funktioniert vom ersten Bild bis zur wirklich anrührenden letzten Szene. Auch wenn es fast unerträgliche Momente gibt – und hier kommt noch mal die Warnung für Zartbesaitete. Aber will man das Unerträgliche der Geschichte wirklich spürbar machen, so bedarf es vielleicht solcher unerträglichen Bilder. Gounod wollte ja seiner Zeit den Spiegel vorhalten – unsere heutige Zeit braucht ihren eigenen Spiegel. […]

Die Inszenierung bietet ein Spektrum zwischen wertigster Kostüm-Epos-Ästhetik und Horrorfilm. Das kann man geschmacklos finden oder feiern. […]

Durch grandiose, üppige Kostüme und die im Kern minimalistische, aber monumentale Bühnengestaltung, die weitestgehend monochrom scheinen, es aber nicht sind, produziert das Regie-Team (Ausstattung: Tatjana Ivschina) opulenteste Bilder. Eine „französische“ Aura, die wie ein Filtrat des Paris des 19. Jahrhunderts scheint, schwebt über der gesamten Inszenierung und wirkt wie eine große Klammer. Mit all den widersprüchlichen Zutaten zwischen Bürgerlichkeit, Militarismus, Hurerei und Bigotterie sowie viel Ästhetik. Und Pilavachi inszeniert immer wieder feinste Details, starke große Bilder, lässt die Sänger ihre schauspielerische Kraft ausleben – bedient sich im dunklen Grundton immer wieder auch des Humors. […]

[…] Ohnehin spielt man mit der Dualität – unentwegt. Wippichs dramatische Präsenz, die sich in seiner wunderbar sitzenden Stimme trefflich spiegelt, bildet jenen gelungen Gegenpart zu Woongyi Lees Faust. Lees eher in der Anlage schlankere Stimme kann gerade in Übergängen zwischen mittleren in höhere Lagen sehr raffinierte Nuancen bilden, wirken die Höhen auch manchmal etwas forciert. Ohnehin fordert Gounods Musik viel von den in großen Teilen überzeugenden Solisten. Die zwischen unschuldiger Schönheit und tiefstem Fall gezeigte Figur der Margarethe birgt für Sopranistin Sophie Witte in dieser Produktion sehr beachtliche schauspielerische Herausforderungen. Diese pariert sie mit Souveränität und vermag stimmlich neben Lyrik beeindruckenden dramatischen Ausdruck aus ihrem Material herauszukämpfen. Kämpfend Rafael Bruck als Valentin (Margarethes Bruder), Susanne Seefing als sehr einfühlsam singende und spielende Siébel sowie Hayk Deinyan und Janet Bartolova setzen weitere Akzente in den Rollen. […]

Generalmusikdirektor Mihkel Kütson fühlt sich mit seinen Niederrheinischen Sinfoniker in der Partitur Gounods sichtlich wohl. Kostet die Vielfarbigkeit der klanglichen Effekte genauso aus, wie den melodiösen Schwelgeklang, holt aber auch gerne zum musikalischen Theaterdonner aus. Es gelingt in Summe eine sehr überzeugende musikalische Umsetzung, auch in Verbindung mit dem von Michael Preiser einstudierten Chor. Und ja: In mitreißenden musikalischen Momenten sprüht man diese magische Zündfähigkeit, für die die Sinfoniker und ihr Chef zu Recht den Opus Klassik gewonnen hatten. Diese Reize „triggern“ dann auf eine andere, ganz erfreuliche Weise. Ein großer Opernabend – mit Trigger-Warnung eben.

Ernst Müller, Extra-Tipp, 11.09.23

Bilder mit Gänsehaut-Effekt!

Die neue Spielzeit im Krefelder Stadttheater hat begonnen. Den Auftakt bildet die französische Oper „Margarethe (Faust)“. Die Inszenierung beeindruckt durch opulente Bilderbögen.

[…] Die Musik Gounods fängt die dunklen Stimmungen mit romantisch anmutenden Klängen ein. Die Niederrheinischen Symphoniker im Orchestergraben unter Leitung von Generalmusikdirektor Mihkel Kütson spielen sie kraftvoll aus. Präzise abgestimmt auf die Musik haben Regisseur Anthony Pilavachi und Bühnenbildnerin Tatjana Ivschina für eine unheilvolle Kulisse aus Nebel, Wolken und trübem Himmel gesorgt.

[…] Mindestens drei Mal beherrscht der große Theaterchor unter Leitung von Michael Preiser die Bühne wie ein Wimmelbild in Breitwandformat. Kostümbilderin Tatjana Ivschina hat die Chorsänger und Statisten in Kostüme des 19. Jahrhunderts gewandet. […]. Das Bild ist so bunt und vielfältig, dass der Zuschauer kaum weiß, wo er als erstes hinschauen soll.

Überdies bietet die Oper wunderbare Arien. Bei der Premiere ragten Rafael Bruck als Margarethes Bruder und der stets raumgreifende Matthias Wippich als Mephisto heraus. Die Klagen Margarethes (Sophie Witte) gehen ans Herz. […]

Zu einem wahren Gänsehauterlebnis treibt Regisseur Pilavachi den Schlussakt hoch, wenn nach einer Art Schwarzer Messe, in der Mephisto seinen Triumph über die menschlichen Seelen bereits vor Augen sieht, durch Margarethes Reue die göttliche Erlösung in gleißendem Licht aufscheint. „Gerettet“ – intoniert erleichtert der Chor.

Stefan Schmöe, Online Musik Magazin, 16.09.2023

Egal, ob die Oper nun Faust oder Margarethe heißt: Hingehen!

[…] In der bildmächtigen Inszenierung von Anthony Pilavachi (Regie) und Tatjana Ivschina (Ausstattung) spürt man in den revuehaft angelegten Chorszenen den mitunter auch frivolen Geist der Entstehungszeit (uraufgeführt wurde die Oper 1859) – Jacques Offenbach ist da manchmal gar nicht so weit weg.

Kokotten, Soldaten und Bürger geben ein illustres Panoptikum in historischen Kostümen ab, das aber keineswegs museal aussieht, weil die Regie sich ansonsten weitgehend ästhetische Strenge als Grundprinzip verordnet. Auf der leeren Bühne strukturieren vier verschiebbare Säulenelemente den leeren Raum und deuten die Spielorte nur vage an. Zur Ausstattungsoper wird die Inszenierung, der üppigen Kostümierung zum Trotz, nicht. Vielmehr erscheinen die historisiert angelegten Massen (und auch Margarethe) wie Spielfiguren von Mephistos Gnaden. Der tritt wie Faust in nüchternem Schwarz auf, was die beiden vom Geschehen distanziert als durchwanderten sie eine schillernd bunte Traumwelt. Dass in den Tableaus trotzdem manches den Rand des Kitsches streift, widerspricht sicher nicht der Anlage dieser Oper, die sich vom Pathos der Grand opéra absetzt, aber trotzdem auch Spektakel sein möchte. Genau dieses Spektakel liefert Pilavachi verlässlich, aber er ordnet es gekonnt in die tragische Geschichte ein.

Wenn Margarethe vom engelsgleichen Wesen in weißem Kleid nach der fatalen Affäre mit Faust (und ungewollter Schwangerschaft als Konsequenz) zur Prostituierten absteigt, macht die Regie ungeachtet der historischen Einkleidung das überzeitliche Sozialdrama sehr deutlich. Und indem Margarethe zunehmend dem Wahnsinn verfällt, wird die frömmelnde Attitüde Gounods vorsichtig relativiert. […] Pilavachis Inszenierung bietet kein allzu zwingendes Deutungsmuster an, aber sie findet durchaus starke Bilder – und besticht durch eine nuancierte Personenregie, mit der schlüssig und emotional die Geschichte erzählt wird.

Das alles wird vom Mönchengladbach-Krefelder Ensemble glänzend umgesetzt. In der hier besprochenen zweiten Aufführung gibt Sofia Poulopoulou ein großartiges Debut als Margarethe (die Premiere sang Sophie Witte). Mit ihrer mädchenhaft jungen, leuchtenden Stimme kann sie in den lyrischen Passagen glänzen, hat aber auch Kraft und vokale Fülle für die großen Aufschwünge. Szenisch ist sie ohnehin eine Idealbesetzung. Auch für den in jeder Hinsicht ungemein präsenten Johannes Schwärsky ist es die erste Aufführung als Mephisto (Premiere: Matthias Wippich). Wenn der allein schon durch seine körperliche Erscheinung imposante Schwärsky auf der Bühne steht, beherrscht er die Szene, aber er strahlt auch vokal große Autorität aus. Zwischen diesen beiden hat es Woongyi Lee (der auch die Premiere gesungen hat) als Faust schwer, sich zu profilieren. Szenisch, weil die Regie (und auch Gounod) ihn als einen Zauderer zeichnet, der nie Herr der Situation ist. Musikalisch bewältigt sein Tenor die Partie eindrucksvoll, klingt aber ziemlich einfarbig und hat nicht allzu viel von der “französischen” Eleganz, die es hier bräuchte. Kejti Karaj singt einen beachtlichen Siebel, Inkarnation des biederen (aber herzensguten) Spießbürgers; Miha Brkinjač steigert sich nach verhaltenem Beginn als Margarethes Bruder Valentin in seiner Sterbeszene zu bemerkenswertem Format. In der kleinen (tadellos gesungenen) Rolle der Marthe Schwertlein, von Mephistofeles alsbald erdrosselt, ist die altgediente Janet Bartolova zu erleben (seit 1994 gehört sie dem Ensemble an – das ist länger, als dieses Musikmagazin existiert).

Am Pult der bestens aufgelegten Niederrheinischen Sinfoniker steht Chefdirigent Mihkel Kütson und lotet Gounods Farbpalette sehr schön aus. Die Chorszenen klingen kraftvoll und volkstümlich, Margarethe wird mit schillernden entrückten Klangfarben umgeben, und für Mephistofeles darf das Blech geheimnisvoll oder bei Bedarf auch dramatisch wie beim jüngsten Gericht tönen. Der Chor klingt beeindruckend, ein paar Wackler im Tempo sind zu verschmerzen. Leider blieben an diesem Abend im Krefelder Theater zu viele Plätze frei, und da kann man nur sagen: Hier gibt es auf musikalisch hohem Niveau eine Oper voller hinreißender Melodien in einer leicht zugänglichen, eindrucksvollen Inszenierung, die am Ende dieser Aufführung mit großem Jubel gefeiert wurde. Egal, ob die Oper nun Faust oder Margarethe heißt: Hingehen!

Die Krefelder Zweitbesetzung liefert eine tolle Aufführung ab, die szenisch mit eindrucksvollen Bildern und einer differenzierten Personenregie Gounods Oper als das nimmt, was sie ist: Eine mit den Mitteln des 19. Jahrhunderts melodienselig vertonte gute Geschichte, die auch heute noch fast dreieinhalb Stunden lang spannendes Musiktheater bietet.

Thomas Molke, Das Opernglas, Oktober 2023

Ein kraftvoller, homogener Klang!

[…] Musikalisch bewegt sich der Abend auf gutem Niveau. Woongyi Lee überzeugt als Faust mit lyrischem Schmelz und singt die Höhen sauber und geschmeidig aus.

Sophie Witte gestaltet die Margarethe mit mädchenhaftem Charme. So wirkt sie zunächst herrlich naiv und leichtgläubig, was sie mit einer frischen und jugendlichen Stimmführung unterstreicht. Mit großer Leichtigkeit bewegt sie sich durch die Koloraturen der berühmten Juwelen-Arie. Im zweiten Teil verleiht sie der Partie dramatische Höhen.

[…] Matthias Wippich begeistert als Mephisto nicht nur darstellerisch auf ganzer Linie, sondern punktet auch mi seinem kraftvollen Bariton. Ein musikalischer Höhepunkt ist auch das berühmte Rondo vom goldenen Kalb, bei dem er mit markanten Höhen ein regelrechtes Höllenfeuerwerk entfacht.

In den kleineren Partien sind Rafael Bruck als Valentin und Susanne Seefing als Siebel zu erwähnen. Bruck begeistert bei der berühmten Abschiedsarie im zweiten Akt, die Gounod erst später in die Oper eingefügt hat und die sich mittlerweile zu einer ihrer beliebtesten Nummern entwickelt hat, mit weichem Bariton. Seefing punktet als Siebel mit sattem Mezzosopran. […]

Der von Michael Preiser einstudierte Chor macht den unterschiedlichen Gruppen darstellerisch eine gute Figur und überzeugt durch kraftvollen, homogenen Klang. GMD Mihkel Kütson lotet mit den Niederrheinischen Sinfonikern die Musik mit viel Gefühl aus und findet rate Zwischentöne. Auch Gounods stellenweise Nähe zur Kirchenmusik arbeitet Kütson eindrucksvoll heraus. So gibt es am Ende großen Jubel vom Premierenpublikum für alle Beteiligten.

Markus Lamers, Der Opernfreund, 22.10.2023

Anthony Pilavachi gelingt erneut eine absolut überzeugende Regiearbeit!

Ob nun unter dem Titel Faust (wie im Original) oder dem Titel Margarethe (wie in Deutschland oft verwendet), zählt Charles Gounods Oper zu einer der erfolgreichsten französischen Opern aller Zeiten.

In Krefeld hat man sich beim Titel einfach für eine Kombination der beiden Varianten entschieden, auch wenn man der Produktion hier sehr treffend mit Mephisto einen ganz neuen Titel hätte geben können.

[…] Strippenzieher hinter all dem ist natürlich Mephisto, der in der Inszenierung von Anthony Pilavachi zur zentralen Figur wird. Ein Teufel der Faust und die gesammte Gesellschaft nach belieben lenkt und hierbei Unterstützung von seinen Gehilfen erhält. In diese Rollen dürfen acht Statisten schlüpfen, die Mephisto mit seinem wallenden grauen Haar sehr ähnlich sehen. Selbst das Kostüm und die optische Darstellung von Faust sind in dieser Produktion an Mephisto angelehnt. Ein kleiner Kniff, der im Verlaufe des Abends eine recht große Wirkung entfacht. Allgemein sind die Kostüme und das Bühnenbild von Tatjana Ivschina sehr gelungen und bereiten die Grundlage für einen großen Opernabend. Sehr spannend dabei, dass die vier Akte (die ersten beiden Bilder werden hierbei als ein Akt gezählt), an die vier Jahreszeiten angelehnt sind. Es beginnt im Frühling mit der aufblühenden Liebe, die im Sommer ihren Höhepunkt findet. Im tristen Herbst sorgt fallendes Laub für eine Art Vergänglichkeit, bevor Margarethe im Winter den Tod findet. […]

Mit diesen Ansätzen gelingt Pilavachi, der an diesem Haus mit seiner Interpretation der Salome vor einigen Jahren bereits nachhaltigen Eindruck hinterlies, erneut eine absolut überzeugende Regiearbeit. Hierbei setzt er auch auf starke und abschreckende Bilder, für die an dieser Stelle durchaus eine Trigger-Warung ausgesprochen werden darf. Wenn Faust Margarethe zum Ende des zweiten Aktes vor den Augen von Mephisto vergewaltigt, ist dies ein schwer zu ertragender Anblick, der durch den Vorhang nur langsam verdeckt wird. Ebenso schwer zu ertragen ist es, wie die verrückt gewordene Margarethe nach dem Tode des Kindes mit einer blutverschmierten Fötus-Puppe samt Nabelschnurr umgeht. Diese Bilder sind schrecklich, allerdings jederzeit passend und ohne große Effekthascherei inszeniert. Vielmehr bringen sie das Grauen, welches Margarethe hier erleiden muss, passend auf die Bühne. Passend ist es auch, wie die Soldaten im Gegensatz zu der an sich eher heroischen Musik im dritten Akt aus dem Krieg heimkehren, hierbei aber deutlich vom Kriegsgeschehen gezeichnet sind. Neben Verletzungen und blutverschmierter Kleidung, bringen sie auch ihre geköpften Gegner mit in die Heimat, ein sehr passendes Bild für die Grausamkeiten des Krieges. Gelungen ist auch der Tausch zweier Bilder, so dass Margarethes Gebet in der Kirche erst etwas später als ursprünglich im Libretto vorgesehen stattfindet. Dies ist in der gewählten Inszenierung sehr stimmig und macht Margarethes langen Leidensweg im zweiten Teil der Oper nochmal eine Stufe intensiver. Dass man in Krefeld in diesem Zusammenhang zudem auf die Walpurgisnacht verzichtet, macht durchaus Sinn. Pilavachis Inszenierung ist in sich sehr stimmig und handwerklich gut gemacht.

Auch Musikalisch kann das Theater Krefeld einmal mehr überzeugen. Woongyi Lee weiß in der Rolle des Faust sehr zu gefallen. Mit seinem eher lyrisch angelegten Tenor singt er auch die höheren Partien sauber und mit großer Strahlkraft. Als Margarethe kann Sofia Poulopoulou mit schönen Sporan und starken Schauspiel überzeugen. Omnipräsent ist der Bariton Johannes Schwärsky als Mephisto, der gesanglich auf höchstem Niveau aggiert. Gleichzeitig ist seine Mimik herrlich anzuschauen, selbst wenn er immer wieder mal nur abseits des eigentlichen Geschehens aggiert. Dies verleiht der Rolle des Mephisto nochmal eine ganz eigene Tiefe. Rafael Bruck hat als Valentin zwar recht wenige Auftritte, steuert dafür aber mit Avant de quitter ces lieux ein Highlight des Abends bei. In der Hosenrolle des Siébel setzt Kejti Karaj aus dem Opernstudio Niederrhein nachhaltige Akzente, die diese Rolle mit sehr viel Herz ganz zauberhaft auslegt und mit der Blumenarie auch ihr musikalisches Talent auf die Bühne bringen kann. Abgerundet wird die Besetzung durch Gereon Grundmann als Wagner und Janet Bartolova als Marte Schwertlein in den beiden kleinen Rollen des Abends. Auch der um einige Personen erweiterte Opernchor weiß in dieser großen Choroper sehr zu gefallen. Er zeigt sich von Michael Preiser hervorragend einstudiert und kann durch einen kraftvollen und homogenen Klang überzeugen. Insbesondere der Soldantenchor wirkt stark nach. Generalmusikdirektor Mihkel Kütson dirigiert die Niederrheinischen Sinfoniker einmal mehr sehr präzise und zeigt eindrucksvoll, warum dieses Orchester einen so guten Ruf hat. Die kirchenmusikalischen Ansätze im vierten Akt meistern die Musiker ganz wunderbar unter seinem Dirigat.

Trotz der Länge der Oper mit einer Aufführungsdauer von fast 200 Minuten (inklusive einer Pause nach rund 100 Minuten), will das anwesende Publikum den Saal nicht verlassen und fordert unter lautem Jubel und unzähligen Bravo-Rufen für die Darsteller einen Vorhang nach dem anderen. Ein schöner Abschluss für einen rundum gelungenen Opernabend.

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