Für Himmelskörper ebenso wie für unsre eigenen, erdverhafteten, sind Konstellationen entscheidend: Für die Frage etwa, wie stark oder schwach Anziehungskräfte wirken. In seiner Geschichte von Marianne und Roland spielt der britische Autor Nick Payne raffiniert mit dem Wechsel der Konstellationen.
Die Quantenphysikerin Marianne und der Imker Roland erleben eine Liebesgeschichte mit mehr oder weniger typischen Momenten: Die erste Begegnung – die erste Nacht – der erste Seitensprung – das Wiedersehen nach einer Zeit der Trennung. Auf überraschende Weise fächert Paynes Stück nun diese Momente auf und lässt sein Paar die Szenen in verschiedenen Varianten durchleben. Je nachdem wie sie sich entscheiden, geht ihre Liebesgeschichte so oder anders weiter – oder findet gar ein abruptes Ende. Was wäre wenn… Als existierten Marianne und Roland zeitgleich in mehreren Paralleluniversen.
Das Spiel der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten aber stößt an eine Grenze, als Marianne und Roland mit der Unausweichlichkeit des Lebensendes konfrontiert sind.
WZ Krefeld, 3. April 2023Eine gelungene Liebeskomödie in Paralleluniversen
“Es gibt nicht nur eine Menge Text in diesem Stück, es wird auch noch viel Text wiederholt. Grandios, wie Jannike Schubert und Paul Steinbach damit umgehen. Wie sie durch Betonungsveränderungen, andere Subtexte und Körperhaltungen die Varianten unaufgeregt zum Leben erwecken, das allein lohnt den Besuch der Vorstellung. Dass eine der berührendsten Szenen still in Gebärdensprache abläuft, unterstreicht die sprachliche Ausdruckskraft der Akteure. (…) Am Ende viel Applaus für die beiden glänzend aufgelegten Schauspieler, das Regieteam und ein spannend konstruiertes Stück.”
RP Krefeld, Christina Schulte, 3. April 2023Eine knapp 90-minütige Achterbahnfahrt des Lebens
“Paul Steinbach zeigt beim Heiratsantrag – und nicht nur da – wunderbar seine Facetten: Er ist schüchtern oder trottelig, selbstsicher oder übermäßig selbstbewusst, liebenswert oder forsch. Auch Jannike Schubert kann verschiedene Ansichten zeigen: uninteressiert am Gegenüber oder fokussiert auf dessen Antrag, zickig oder zugeneigt. Die Kostüme (Milena Keller): Sie raffiniert, aber nicht elegant; er bieder. (…) Eine große Klammer sind die Gespräche des Paares am Ende ihrer Beziehung. Dafür treten die Schauspieler jeweils aus dem Kreis heraus und sitzen in einer liebevollen Umarmung beieinander. Immer wieder, ihr Gespräch wird immer länger. Erst ganz am Schluss weiß man, worum es Marianne und Roland hier geht.”
Liebe in verschiedenen Universen
-
Am Ende möchte man am liebsten still und leise aus dem Studio schleichen und sich der Trauer über das unausweichliche und […] dramatische Ende eines Lebens und damit auch […] einer liebevollen Beziehung hingeben. So bewegend und intensiv war das, was sich auf der Bühne abspielte. […] Am Sonntagabend hatte das Stück „Konstellationen“ von Nick Payne in einer Inszenierung von Marireau Mühlen im Theater Mönchengladbach Premiere. […] Über 90 Minuten spielen sich Jannike Schubert und Paul Steinbach als Paar und als Nicht-Paar, verliebt und entliebt, gesund und krank, aber immer souverän und überzeugend durch diverse Paralleluniversen. Dasselbe Geschehen wird immer wieder neu erzählt, […] Alternativen zum Geschehenen werden präsentiert. So gibt es mehrere erste Begegnungen, gelungene und weniger gelungene. […] Marianne, gespielt von Jannike Schubert, ist Quantenphysikerin, Paul Steinbach als Roland ist Imker. […] Die Idee, dass es ein Multiversum gibt, in dem jede getroffene Entscheidung in einem Ensemble von Paralleluniversen existiert, ist die Grundlage der Geschichte der „Konstellationen“. Jannike Schubert und Paul Steinbach bewältigen eine besondere und hohe Konzentration fordernde Herausforderung: In jeder Szene wechseln mit der jeweiligen Konstellation die Emotionen. In rascher Folge spiegeln sich Liebe und Hass, Unsicherheit und Distanz, Wut und Angst, Verzweiflung und Aggression nachvollziehbar in ihrer Mimik, Gestik und Sprache. Fatalerweise ist es genau die Sprache, die Marianne aufgrund ihres Gehirntumors im Stich lässt. […] Umso intensiver die Szene, die ohne Sprache auskommt: Als sich Schubert und Steinbach in Gebärdensprache unterhalten und jeder versteht, worum es geht. Auf besondere Weise begleiten das Bühnenbild von Lydia Merkel, die Kostüme von Milena Keller und die Lichtinszenierung von Benedikt Manske das Stück […]. Nachdem klar ist, dass die Krankheit von Marianne unaufhaltsam zum frei gewählten Tod in einer Sterbeklinik führt, bewegen sich beide Partner in entgegengesetzten Kreisen auf der Drehbühne, ohne einander zu kreuzen, zu berühren. Danach wird es dunkel. […] Marianne und Roland begegnen sich aufs Neue. Oder ist es ein Rückblick? […] Der Applaus wollte kein Ende nehmen. Unbedingt anschauen!
RP Mönchengladbach, Sigrid Blomen-Radermacher, 7. Juni 2022