Für Himmelskörper ebenso wie für unsre eigenen, erdverhafteten, sind Konstellationen entscheidend: Für die Frage etwa, wie stark oder schwach Anziehungskräfte wirken. In seiner Geschichte von Marianne und Roland spielt der britische Autor Nick Payne raffiniert mit dem Wechsel der Konstellationen.
Die Quantenphysikerin Marianne und der Imker Roland erleben eine Liebesgeschichte mit mehr oder weniger typischen Momenten: Die erste Begegnung – die erste Nacht – der erste Seitensprung – das Wiedersehen nach einer Zeit der Trennung. Auf überraschende Weise fächert Paynes Stück nun diese Momente auf und lässt sein Paar die Szenen in verschiedenen Varianten durchleben. Je nachdem wie sie sich entscheiden, geht ihre Liebesgeschichte so oder anders weiter – oder findet gar ein abruptes Ende. Was wäre wenn… Als existierten Marianne und Roland zeitgleich in mehreren Parelleluniversen.
Das Spiel der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten aber stößt an eine Grenze, als Marianne und Roland mit der Unausweichlichkeit des Lebensendes konfrontiert sind.
Liebe in verschiedenen Universen
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Am Ende möchte man am liebsten still und leise aus dem Studio schleichen und sich der Trauer über das unausweichliche und […] dramatische Ende eines Lebens und damit auch […] einer liebevollen Beziehung hingeben. So bewegend und intensiv war das, was sich auf der Bühne abspielte. […] Am Sonntagabend hatte das Stück „Konstellationen“ von Nick Payne in einer Inszenierung von Marireau Mühlen im Theater Mönchengladbach Premiere. […] Über 90 Minuten spielen sich Jannike Schubert und Paul Steinbach als Paar und als Nicht-Paar, verliebt und entliebt, gesund und krank, aber immer souverän und überzeugend durch diverse Paralleluniversen. Dasselbe Geschehen wird immer wieder neu erzählt, […] Alternativen zum Geschehenen werden präsentiert. So gibt es mehrere erste Begegnungen, gelungene und weniger gelungene. […] Marianne, gespielt von Jannike Schubert, ist Quantenphysikerin, Paul Steinbach als Roland ist Imker. […] Die Idee, dass es ein Multiversum gibt, in dem jede getroffene Entscheidung in einem Ensemble von Paralleluniversen existiert, ist die Grundlage der Geschichte der „Konstellationen“. Jannike Schubert und Paul Steinbach bewältigen eine besondere und hohe Konzentration fordernde Herausforderung: In jeder Szene wechseln mit der jeweiligen Konstellation die Emotionen. In rascher Folge spiegeln sich Liebe und Hass, Unsicherheit und Distanz, Wut und Angst, Verzweiflung und Aggression nachvollziehbar in ihrer Mimik, Gestik und Sprache. Fatalerweise ist es genau die Sprache, die Marianne aufgrund ihres Gehirntumors im Stich lässt. […] Umso intensiver die Szene, die ohne Sprache auskommt: Als sich Schubert und Steinbach in Gebärdensprache unterhalten und jeder versteht, worum es geht. Auf besondere Weise begleiten das Bühnenbild von Lydia Merkel, die Kostüme von Milena Keller und die Lichtinszenierung von Benedikt Manske das Stück […]. Nachdem klar ist, dass die Krankheit von Marianne unaufhaltsam zum frei gewählten Tod in einer Sterbeklinik führt, bewegen sich beide Partner in entgegengesetzten Kreisen auf der Drehbühne, ohne einander zu kreuzen, zu berühren. Danach wird es dunkel. […] Marianne und Roland begegnen sich aufs Neue. Oder ist es ein Rückblick? […] Der Applaus wollte kein Ende nehmen. Unbedingt anschauen!
RP Mönchengladbach, Sigrid Blomen-Radermacher, 7. Juni 2022