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Musiktheater

Madama Butterfly

Japanische Tragödie in drei Akten // Musik von Giacomo Puccini // Libretto von Luigi Illica und Giuseppe Giacosa Leitung Besetzung

8. April 2023 – 24. Februar 2024

Dauer Ca. 165 Minuten inkl. Pause Extras Stückeinführung vor ausgewählten Vorstellungsterminen im Theaterbistro (Termine s. unten) Sprache Italienisch mit deutschen Übertiteln

Derzeit keine aktuellen Vorstellungstermine.

Einer alten Tradition folgend heiratet Militärleutnant Pinkerton die junge Prostituierte Cho-Cho-San, genannt Butterfly, um seinem Verhältnis mit ihr einen seriösen Anschein zu geben. Nachdem er sie verlassen hat, wartet Butterfly mit dem gemeinsamen Kind auf seine Rückkehr und verliert sich schmerzvoll in ihren Hoffnungen auf eine freie, selbstbestimmte Existenz jenseits der menschenverachtenden Gesetze ihrer Lebenswirklichkeit. Als Pinkerton endlich zurückkehrt, muss Cho-Cho-San erkennen, dass er ihre Hoffnungen nicht erfüllen wird. Es gibt nur einen einzigen Ausweg für sie, um ihrem tristen Dasein endgültig zu entkommen.

Puccinis Madama Butterfly zählt zu den erfolgreichsten Werken des italienischen Repertoires. Die Geschichte schien – jenseits ihres exotischen Reizes – wie gemacht für Puccini, „mit der kläglichen Figur des Pinkerton“, so Puccini-Biograf Dieter Schickling, „der für alle Männer steht (auch eben für Puccini selbst), die Frauen als Werkzeuge ihrer Lust instrumentalisieren.“ Puccini selber bezeichnete Madama Butterfly als seine „gefühlvollste und ausdrucksvollste Oper“.

Markus Lamers, Der Opernfreund, 09.04.23

Orkanartige Beifallsstürme nach der Vorstellung!

Am Karsamstag fand im Krefelder Theater die Premiere von Giacomo Puccinis Madama Butterfly statt.

Hierbei ist die eigentliche Geschichte der Oper wohl zugegebenermaßen eher schlecht gealtert. Im Original ist Butterfly gerade einmal 15 Jahre, als sie an den amerikanischen Leutnant Benjamin Franklin Pinkerton verkauft wird, der zu keinem Zeitpunkt Interesse an einer ernsthaften Beziehung mit Butterfly hat. Vielmehr ist sie ein netter Zeitvertreib, um fernab der Heimat seine sexuellen Gelüste zu erfüllen. Das Schicksal der Geishas wird heutzutage mit ganz anderen Augen gesehen als zu Zeiten der Uraufführung der Oper im Jahr 1904 an der Mailänder Scala. Und doch hat Puccini eine wunderbar romantische Musik komponiert, die den Zuschauer über all die Jahre immer wieder neu berührt. Wie inszeniert man solch eine Oper also heute?

Zu dieser Frage geben Beverly und Rebecca Blankenship in einem sehenswerten Kurz-Video (https://youtu.be/dF3AKQE1pME) einige interessante Antworten. So ist es heute eben nicht mehr möglich, die japanische Tradition in einer fast überheblichen Art der kulturellen Aneignung zu verniedlichen. Auch teilweise minderjährige Mädchen wie Schmetterlinge einzufangen, um sie anschließend „getötet und aufgespießt“ als sein Eigentum zu präsentieren, ist in der Form mehr als fraglich. Eine Inszenierung der Madama Butterfly ist heutzutage mehr denn je eine Gratwanderung, und ich gebe zu, dass ich im Vorfeld der Premiere nicht gerade besonders optimistisch hinsichtlich des Inszenierungsansatzes der Krefelder Neuproduktion gestimmt war. Doch wie sich schnell herausstellen sollte, war dieses ein viel zu früh getroffenes Vorurteil, denn die Kombination der Musik mit einem Schwerpunkt auf die grausigen Taten insbesondere im ersten Akt der Oper schafft ein echtes Gefühl von Beklommenheit und Mitgefühl, welches man in dieser Form nicht oft im Theater erlebt. Auf den Nebensitzen wurde teilweise kräftig geweint.

Durch die Ausstatterin Kirsten Dephoff werden im Hintergrund mehrere Wände mit den Worten „Menschenrechte“, „Frauenrechte“, „Würde“ und „Freiheit“ in den verschiedensten Sprachen gezeigt, über denen in großen, roten, japanischen Schriftzeichen zwei Mal das Wort „Freiheit“ geschrieben steht. Hinzu kommt als zentrales Bühnenelement ein großer Übersee-Container, der symbolisch einerseits für den verabscheuungswürdigen Menschenhandel steht und gleichzeitig als billige Wohnunterkunft der Cho-Cho-San dient. Viel mehr bedarf es für den optischen Aspekt auch nicht. Passend auch, dass man die stimmungsvollen japanischen Lampions lediglich als Pinkertons Inszenierung einer stimmungsvollen Hochzeitsnacht deutet, indem sie auf sein Fingerschnippen von der Decke herabfahren.

Lobenswert bei dieser Neuproduktion ist vor allem, dass die beiden Regisseurinnen das Werk als solches ernst nehmen und die eigentliche Dramatik vor allem aus vielen kleinen Details und einer hervorragenden Personenführung stammt. Wie im ersten Akt alle Personen wegschauen, wenn Cho-Cho-San durch den Kuppler Goro an Pinkerton verkauft wird; wie Unmengen an Bestechungsgelder den Besitzer wechseln, hier übrigens treffend durch schwarz eingefärbte Geldscheine symbolisiert; wie direkt nach der inszenierten Hochzeit die Eheurkunde zerrissen wird und Butterfly hierdurch bereits zum ersten Mal großen Qualen ausgesetzt wird; wie sich die Braut nach der Hochzeit auf ein besseres Leben freut, Pinkerton aber an dem Koffer mit Dessous und Sexspielzeug scheinbar mehr Interesse zeigt als an seiner neuen Ehefrau: All dies im krassen Gegensatz zur wunderbaren Musik Puccinis stimmt den Zuschauer ehrlich betroffen.

Hinzu kommt eine Doppelbesetzung der Butterfly, um deutlich zu machen, dass sie eben nicht die junge Erwachsene Geisha ist, sondern noch ein Kind, welches hier auf übelste Art verkauft wird. Als „Butterfly 15“ verkörpert die junge taiwanesische Tänzerin Tzu-Yin Liou sehr glaubhaft das kleine Mädchen, während die ebenfalls noch junge Yibao Chen die Titelpartie singt und spielt. Die Sopranistin studiert seit Anfang 2020 im Studiengang Solistenexamen an der Hochschule für Musik in Karlsruhe, wurde zuvor aber nach ihrem Masterabschluss an der Accademia Santa Cecilia in Rom bereits für namhafte Rollen u. a. durch das China National Opera House engagiert. Einmal mehr zeigt sich das Gemeinschaftstheater hier bestens aufgestellt bei der Verpflichtung der Gastrollen, denn die gesangliche Leistung samt der eindringlichen Darstellung der Butterfly bescherte Yibao Chen zu Recht orkanartige Beifallsstürme nach der Vorstellung. Auch die Rolle des B. F. Pinkerton wurde mit Milen Bozhkov passend besetzt, der mit seinem klaren Tenor punkten kann.

Die weiteren Besetzungen stammen aus dem eigenen Ensemble. In der Rolle der Suzuki hat Susanne Seefing mal wieder einen größeren Auftritt, den sie gewohnt souverän meistert und darüber hinaus einmal mehr mit ihrer Mimik zu gefallen weiß. Ganz hervorragend Rafael Bruck als Konsul Sharpless, der die Premiere, obwohl als gesundheitlich angeschlagen angesagt, tadellos meisterte. Mit seinem gefühlvollen Bariton trifft er jeden Ton perfekt, und auch wenn sich Sharpless in der Geschichte wie alle anderen Personen mit schuldig macht, so spielt Bruck den Konsul immerhin als Person mit den größten Gewissensbissen in dem gesamten Konstrukt aus Prostitution und Menschenhandel. Kairschan Scholdybajew überzeugt als Kuppler Goro, in der Rolle des Fürst Yamadori ist Markus Heinrich zu sehen. Kurz, aber eindringlich ist der Auftritt von Hayk Deinyan als Onkel Bonze, der die arme Butterfly nach ihrer Abkehr vom heimischen Glauben aus der Familie ausstößt. In der ebenfalls kleinen Rolle der Kate Pinkerton steht Kejti Karaj aus dem Opernstudio Niederrhein auf der Bühne. Auch instrumental kann Madama Butterfly in Krefeld überzeugen. Unter der musikalischen Leitung von Generalmusikdirektor Mihkel Kütson spielen die Niederrheinischen Sinfoniker die Musik Puccinis ganz hervorragend mit einem guten Gespür für das richtige Tempo.

Alles in allem ist dem Theater Krefeld ein runder Theaterabend gelungen, der zum Nachdenken anregt, die Zuschauer aber vor allem tief berührt. Gleichzeitig bilden Musik und Inszenierung einen gewissen Kontrast, der auf seine ganz eigene Art dann doch hervorragend funktioniert. So stand am Ende des Premierenabends ein langer und lauter Beifall für alle Darsteller, das Orchester sowie das gesamte Inszenierungsteam.

Heide Oehmen, Rheinische Post, 11.04.23

Das klangliche Ergebnis ist prachtvoll!

Ein riesiger, schon etwas rostiger Schiffscontainer beherrscht als einziges Requisit die Krefelder Bühne – er ist Stundenhotel, Schmugglerparadies und Rückzugsbereich mit einer Matratze. Begrenzt wird die Bühne von einer hohen Wand, auf der in zahlreichen Sprachen die Begriffe Menschenrechte, Frauenrechte, Würde und Freiheit aufgeschrieben sind.

In großen roten japanischen Schriftzeichen steht über allen Begriffen das Wort „Freiheit“. Damit hat die Bühnenbildnerin Kirsten Dephoff, die auch die Kostüme entwarf, auf gut nachvollziehbare Weise den Raum für die bedrückende, auf einer wahren Geschichte beruhende Tragödie der Geisha Cho-Cho San geschaffen. Die 15-Jährige wird von ihrer geldgierigen Verwandtschaft an den in Nagasaki stationierten amerikanischen Militärleutnant Pinkerton verkauft. Dieser heiratet um des seriösen Scheins willen den an die wahre Liebe glaubenden, sogar seine Religion ändernden „Schmetterling“, reist nach Amerika und kommt nach Jahren mit seiner „richtigen“ Frau zurück. Er nimmt sich das Recht, das inzwischen geborene Kind mitzunehmen, und Cho-Cho San sieht nur den Freitod als Ausweg. Durch die recht realistische Darstellung auf der Bühne soll dem Publikum die oft kaschierte Frauenfeindlichkeit, die es in allen Lebensbereichen und nicht nur in Japan gibt, nachdrücklich vor Augen geführt werden. Goro, der skrupellose Kuppler (Tenor Kairschan Scholdybajew in einer Paraderolle), der schmierige Fürst Yamadori (Markus Heinrich), der Butterfly mit seinem Reichtum locken möchte, oder der ob des „Verrats der Religion“ furchterregend polternde Onkel Bonze (Hayk Deinyan) stehen für die immer noch vorherrschende Männerdominanz. Lediglich der Pinkerton begleitende, einfühlsamere Konsul Sharpless sieht tiefer und warnt – allerdings vergeblich – den Leutnant davor, „dem Schmetterling die Flügel zu brechen.“ Bariton Rafael Bruck singt mit Ansage trotz einer vokalen Indisposition – steht aber seinen anspruchsvollen Part stimmlich und darstellerisch bewunderswert durch.

An der Seite der chinesischen Sängerin Yibao Chen zeigt die kindlich wirkende Tänzerin Tzu-Yin Liou das Zarte, ganz Junge der weiblichen Hauptrolle. Choreografisch einprägsam geführt von Victoria Bröcker, kommentiert die Taiwanesin gestisch das Geschehen vor allem in den dramatischen Passagen. Yibao Chen, bereits mit honorigen Preisen ausgezeichnet und zurzeit auf dem Weg zum Solistenexamen an der Hochschule Karlsruhe bei Professor Christian Elsner, überzeugt mit anrührendem, diffenrenziertem Spiel und einem dynamisch reich gestaffelten, großdimensionierten Sopran, der auch einem voll besetztes Orchester Paroli bieten kann. Eine bewunderswerte Leistung für eine so junge Sängerin.

Der Bulgare Milen Bozhkov leiht dem egozentrischen Pinkerton seinen raumfüllenden, kernigen Heldentenor, den er auch in vermeintlich zärtlichen Momenten der Liebeswerbung nicht zurücknimmt – ein Zeichen seines Besitzanspruchs. Susanne Seefing ist die zunächst etwas kühl wirkende, dann aber zunehmend fürsorgliche Vertraute der Cho-Cho San mit einfühlsamem Spiel und ausdrucksstarkem Mezzo. Sie muss mit Pinkertons amerikanischer Frau verhandeln (souverän: Kejti Karaj aus dem Opernstudio) und Cho Cho Sans Kind behüten. Die noch sehr junge Lina Czichon spielt diese Rolle mit bemerkenswerter Lockerheit und ungekünstelter Sicherheit.

Aus dem gewohnt homogenen Chor (Einstudierung Michael Preiser) übernehmen einzelne Mitglieder sorgfältig ausgearbeitete kleine Rollen – allen voran Katharina Ihlefeld als völlig verzweifelte Mutter der armen Geisha. Mihkel Kütson und die hoch motivierten Niederrheinischen Sinfoniker geben „alles“, und das klangliche Ergebnis ist prachtvoll. Im ausverkauften Krefelder Haus werden Solisten, Chor und auch das Regieteam mit Beifall überschüttet.

Michaela Plattenteich, Westdeutsche Zeitung, 11.04.23

Ein hochemotionaler Abend!

Sie zählt zu den populärsten Opern des frühen 20. Jahrhunderts und wird vom Publikum wegen ihres exotischen Lokalkolorits geliebt: „Madama Butterfly“ von Giacomo Puccini.

Fast 120 Jahre nach der Uraufführung zeigt jetzt das Theater Krefeld eine Interpretation, die mit dem süßlichen fernöstlichen Zauber gewaltig aufräumt. Die Schwestern Beverly und Rebecca Blankenship haben erneut ein Frauenthema für ihre Inszenierung gewählt.

„Eine japanische Tragödie“ hat auch Puccini, der sich sehr mit dem Leid seiner Titelheldin identifizierte, sein Stück genannt. Mit dem persönlichen Schicksal der jungen Geisha Cho-Cho-San, die sich ein amerikanischer Leutnant auf Zeit nimmt, dann fallen lässt und sie damit in den Selbstmord treibt, wird nicht nur eine Liebesgeschichte mit tragischem Ausgang erzählt, es wird auch Sozialkritik geübt. […] Darüber hinaus ist es gelungen, die Geschichte aus dem historischen Kontext hinaus in die heutige Zeit zu holen. Wie wird mit Frauen- und Menschenrechten, mit Freiheit und Würde umgegangen. Diese vier Begriffe sind in verschiedenen Sprachen auf den Wänden, die den Bühnenraum einrahmen, zu lesen. Darüber breiten sich große japanische Schriftzeichen in Rot aus, die ebenfalls Freiheit bedeuten. Auf diese drei Farben Schwarz, Weiß und Rot beschränken sich Bühnenbild und Kostüme fast ausnahmslos (Ausstattung Kirsten Dephoff). Cho-Cho-Sans Verwandtschaft, die sie skrupellos an den amerikanischen Leutnant Pinkerton verkauft, erinnert in ihrem Auftreten an die Mafia. Schwarze Anzüge und massive Goldketten stehen für den entsprechend westlich orientierten Lebensstil der Unterwelt. In Rot und Weiß erscheint dagegen Butterfly, die als Einfall der Regie in vielen Szenen noch eine stumme Doppelgängerin an ihrer Seite hat. Es ist die Tänzerin Tzu-Yin Liou, die glaubhaft und sehr berührend das 15-jährige Mädchen verkörpert, das Butterfly im Stück ja erst ist. Dominantes, aber wandlungsfähiges Element auf der Bühne ist ein rötlich gefärbter Container. Er dient mal als Haus, in dem Butterfly zunächst noch mit Pinkerton und dann später alleine lebt, mal als Bordell, das der Mafia-Clan betreibt.

In dieser brutalen und nüchternen Welt bleibt immer noch Platz für Gefühle und Poesie. Dass das Regieteam auch dem Raum gibt und eine Balance dafür findet, ist eine bemerkenswerte Leistung. So schweben beim wunderschönen Liebesduett am Ende des ersten Akts viele rote Lampions herab und tauchen die Szene in ein zauberhaftes Licht. Bei der Hochzeit wird Cho-Cho-San in einen meterlangen roten Schleier gehüllt, der mit seiner Transparenz auch an ein Netz erinnert, in dem sie wie ein Schmetterling gefangen ist. Später liegt sie in einen prächtigen roten Mantel gehüllt oben auf dem Dach ihrer Behausung und wartet auf die Rückkehr des treulosen Geliebten.

Indem die Regisseurinnen zum Thema Menschenrechte den Finger in die Wunde legen und deutlich Gegenwartsbezüge herstellen, verleihen sie der privaten Tragödie auch etwas Überzeitliches. […] Sollte nicht jeder mit der Regie etwas anfangen können, so kommt man musikalisch ganz auf seine Kosten. Angefangen von der herausragenden Yibao Chen in der Titelpartie, die nicht nur scheinbar mühelos und mit großer Strahlkraft die Partie gestaltet, sondern auch darstellerisch sehr überzeugt. Milen Bozhkov ist ihr als Pinkerton ein ebenbürtiger Partner. Mit starken Charakterrollen beeindrucken Susanne Seefing (Suzuki) und Rafael Bruck (Sharpless). Gute Akzente setzen auch Kairschan Scholdybajew (Goro), Hayk Deinyan (Bonze) und Markus Heinrich (Yamadori). Insgesamt eine runde Ensembleleistung. Getragen wird der Abend von der wunderbaren Musik, die von den Niederrheinischen Sinfonikern unter GMD Mihkel Kütson facettenreich, feinfühlig und sehr mitreißend interpretiert wird. Ein hochemotionaler Abend, der sehr berührt und nachdenklich stimmt.

Stefan Schmöe, Online Musik Magazin, 19.04.2023

Spektakulär!

[…] In dieser Produktion rücken die Regisseurinnen Beverly und Rebecca Blankenship manches zurecht, was sich in der Rezeption der Oper verschoben hat. Und das gelingt durchaus spektakulär.

Zunächst setzt die Inszenierung einen klaren Rahmen: Es geht um Frauenhandel und Zwangsprostitution, und das nicht im historischen Japan, sondern irgendwo (und überall) in der Gegenwart. Ein Container als zentrales (und extrem variables) Bühnenelement macht das erschreckend deutlich. Hier werden Frauen und Mädchen eingesperrt, hier stehen später die Kunden Schlange. […] Der Clou der Regie besteht darin, dass Puccinis Oper dabei keineswegs dekonstruiert wird; vielmehr wird das sozialkritische Potential ernst (und beim Wort) genommen, und das bedeutet auch: Die beiden Regie führenden Schwestern erzählen eine große, hochemotionale Geschichte im Sinne Puccinis und seiner Librettisten Luigi Illica und Giuseppe Giacosa, in den zentralen Abschnitten sogar recht konventionell.

Getragen wird das Konzept vom ziemlich genialen Bühnenbild (Ausstattung: Kirsten Dephoff). Der trostlose Container auf der Drehbühne kann auf einer der Längsseiten durch scheinbar federleichte Schiebetüren geöffnet werden und verwandelt sich damit auf bitterböse Weise in ein japanisches Haus, wie man es aus diversen anderen Inszenierungen kennt. Und am Ende des ersten Aktes im Liebesduett von Pinkerton und Cho-Cho-San stellt sich tatsächlich die Illusion von Glück ein (wozu sich auf Schnipsen Pinkertons etliche rote Lampions vom Bühnenhimmel herabsenken – mit Geld ist eben auch die passende Stimmung zu haben, und dennoch entwickelt dieses Bild durchaus einige Poesie).

Die Regie hält die Geschichte permanent in der Schwebe zwischen einer immer wieder realistischen Erzählweise und einer deutlichen Abstraktion. Die Bühne wird begrenzt durch Wände, auf denen in diversen Sprachen die Begriffe “Frauenrechte”, “Menschenrechte”, “Würde” und “Freiheit” zu lesen sind; darübergemalt sind die japanischen Schriftzeichen für das Wort “Freiheit”. Das individuelle Schicksal der 15-jährigen Cho-Cho-San wird somit überhöht in eine allgemeine Anklage bestehenden Unrechts. Dass die Auswahl der im Bühnenbild verwendeten Sprachen laut Programmheft die 34 verschiedenen Muttersprachen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am den Vereinigten Bühnen Krefeld-Mönchengladbach abbildet, ist mehr als eine nette Geste. Hier positioniert sich ein Theater und definiert sich über eine politische Inszenierung, die aber immer auch sinnlich und emotional erlebbar ist.

Die Regie fügt eine zusätzliche stumme Rolle ein, die mit “Butterfly 15” bezeichnet ist. Die zierliche taiwanesische Tänzerin Tzu-Yin Liou agiert wie das 15-jährige Mädchen, wobei die Figur nicht die Titelrolle doppelt, sondern in einigen Szenen wie ein Kommentar eingeschoben wird. […] Überhaupt zeichnet sich die Regie auch dadurch aus, dass sie die Figuren nicht eindimensional abstempelt, sondern vielschichtig mit inneren Brüchen darstellt. Das gilt auch für Dienerin Suzuki (souverän: Susanne Seefing), die janusköpfig Cho-Cho-Sans Vertraute und doch Vertreterin des perfiden Ausbeutersystems ist. Cho-Cho-Sans Kind ist hier ein Mädchen (im Libretto ist es ein Junge), und es zeichnet sich ab, dass diesem Kind ebenfalls der frühe Weg in die Zwangsprostitution droht. Das beglaubigt das Finale mit Butterflys Verzicht auf das Kind, das seinem amerikanischen Vater und dessen “richtiger” Ehefrau in ein hoffentlich besseres bürgerliches Leben folgen wird.

Die Geschichte funktioniert in ihrer Gegenwärtigkeit gut, auch weil im farblich strengen, auf die Farben weiß, rot und schwarz reduzierten Bühnenbild (allein der Konsul weicht mit blauem Anzug ab) immer wieder bewusst artifiziell asiatische Elemente aufgegriffen werden – Puccinis Japan-Sehnsucht kommt zu ihrem Recht. GMD Mihkel Kütson macht mit den bestens aufgelegten Niederrheinischen Sinfonikern musikalisch große Oper daraus. Auch die pathetischen Momente bekommen Raum (und Kütson kostet manche Fortissimo-Stelle genussvoll aus – Yeonjoo Park als Butterfly überstrahlt das Orchester trotzdem), wird aber nie sentimental. Vielmehr ist der Orchesterklang oft schneidend scharf. Aber es wird auch im Pianissimo gezaubert, insbesondere im “Summchor” am Ende des zweiten Aktes, den der ausgezeichnete Opernchor (Einstudierung: Michael Preiser) glasklar und entrückt singt. Die mitunter schwer zu ertragenden Bilder und die betörende Musik stehen dabei keineswegs im Widerspruch. Eine Welt, in der es solche Schönheit gibt, darf Kinder- und Frauenschicksale wie das der Butterfly nicht zulassen, das ist die Botschaft.

Nicht nur die musikalische Umsetzung ist ein starkes Stück: Beverly und Rebecca Blankenship gelingt es, Madama Butterfly eminent politisch zu inszenieren (übrigens ohne jeden billigen Antiamerikanismus), ohne die emotionale Wirkung der Oper zu beschneiden.

Michael Otterbein, CREVELT, Mai 2023

Faszinierend und berührend!

Japan um das Jahr 1900: Der amerikanische Marineoffizier B. F. Pinkerton möchte sich die Zeit seines Aufenthalts vertreiben und lässt sich eine „Frau auf Zeit“ vermitteln: die gerade 15-Jährige Cho-Cho-San, genannt Butterfly.

Die verliebt sich in den deutlich älteren Fremden, und tritt heimlich zum Christentum über, wofür sie von ihrer japanischen Familie verstoßen wird. Nun steht Butterfly allein zwischen den Kulturen, denn ihr Zeit-Ehemann will keine lebenslange Liebe, sondern geht nach einigen Monaten zurück in seine Heimat, wo er eine Amerikanerin heiratet. Zurück kommt er erst nach Jahren, und dann nur, um sein und Butterflys Kind abzuholen. Die von allen verlassene Cho-Cho San begeht Selbstmord.

Diese traurige Geschichte über den Missbrauch einer jungen Frau nennt Komponist Giacomo Puccini eine „Japanische Tragödie in drei Akten“. Von den Schwestern Beverly und Rebecca Blankenship wird der ernste Stoff für das Theater Krefeld und Mönchengladbach mit viel Symbolkraft und einem reduzierten Bühnenbild inszeniert. Das Geisha-Haus wird zum Überseecontainer. Die missachteten Frauen- und Menschenrechte sind in vielen Sprachen an die Bühnenwand geschrieben. Sie werden während der Vorstellung zum Teil durch einen Statisten übermalt, also quasi ausgelöscht.

Butterfly wird zugleich von der stimmgewaltigen Sopranistin Yibao Chen und der zierlichen Tänzerin Tzu-Yin Liou verkörpert, die das 15-Jährige Mädchen spielt, was auch Zuschauer Lukas Granzow sehr gut gefiel. „So kam immer wieder in Erinnerung, wie jung Butterfly eigentlich ist, was das Stück sehr viel emotionaler macht“, betont er. „Ich fand es faszinierend und berührend, und habe am Ende sogar etwas geweint“, ergänzt seine Mutter, Sigrid Granzow. Beide loben die tolle gesangliche Leistung und zugleich die Leistung des Orchesters unter der Leitung von Mihkel Kütson.

Sigrid Granzow war nach eigener Aussage sogar so sehr von dem Stück gefangen, dass sie die Feinheiten des Bühnenbildes während des Stücks gar nicht mehr wahrnahm, obwohl sie vorher darüber gelesen hatte. „In dem Moment, wo ich die Aufführung gesehen habe, habe ich an all das nicht mehr gedacht“, berichtet sie nach Vorstellungsende. Sigrid und Lukas Granzow sehen sich beide nicht als Opernexperten, waren von der Kurzweiligkeit der Inszenierung aber sehr überzeugt, und freuten sich über die schöne Erfahrung, die sie an diesem Abend machen durften.

Armin Kaumanns, Rheinische Post, 16.10.2023

Betörende Melodien und großartige Sänger-Protagonisten!

[…] Diese die Sinne betörenden Melodien, die sich nach bester Ohrwurm-Manier ins Herz bohren, diese erlesenen, spätromantisch eingefärbten Harmonien, diese unter die Haut gehenden Klangfarben – all die Zutaten geraten zusammen mit großartigen Sänger-Protagonisten zu einem vom Publikum überschwänglich gefeierten Premieren-Erlebnis.

Von Yibao Chen wird man noch hören. Und es erscheint geradezu als Glücksfall, dass die chinesische Sopranistin, die gerade in Karlsruhe ihren Master gemacht hat, vom Gemeinschaftstheater für die Cho-Cho-San verpflichtet wurde. Ihr stehen schon ganz viele dieser kostbaren Farben zur Verfügung, die die Butterfly-Partie zu einer der berühmtesten des dramatischen Fachs adeln. Und ihre faszinierende Ausdrucksfähigkeit, die den naiven Überschwang gleich wie selbstzerstörerische Verzweiflung überzeugend zu gestalten weiß, glüht ungebrochen durch den ganzen Abend. Dass sie darüber hinaus eine geradezu natürliche Bühnenpräsenz zeigt, macht schier glücklich.

Für die gleichermaßen geliebt wie gefürchtete Pinkerton-Partie hat das Theater einen weiteren exzellenten Gast verpflichtet: Andreas Hermann, der einst ebenfalls in Karlsruhe studierte, einen heldisch strahlenden Tenor mit gehörig Metall in den atemberaubenden Höhen und souveräner Bühnenpräsenz. Mit den beiden kann sich jede „Butterfly“ hören und sehen lassen.

In Mönchengladbach tritt ein gutes Ensemble hinzu, in dem Eva Maria Günschmann für die Suzuki gefeiert wird und der sängerische Nachwuchs aus dem Opernstudio aufhorchen lässt: Arthur Meunier beeindruckt als Kuppler, Antonia Busse hinterlässt als Kate bleibenden Eindruck. Auch die Leistung des Opernchors ist tadellos. […]

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