Das Meer ruft. Mit seinem Manoka Express nimmt uns der kamerunische Theatermacher Martin Ambara mit auf eine Reise an die Atlantikküste Kameruns. Unterhalb von Douala, ins Mündungsgebiet des Flusses Wouri und zur Insel Manoka, wo nicht nur eine aus dem Uferschlamm ragende Turmruine aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg von den Spuren der Kolonialherren des deutschen Kaiserreichs zeugt. „Manoka“ heißt die Insel Moulendè, seitdem eine deutsche Ordensschwester namens Monika dort wirkte und dort beerdigt wurde.
Das Meer singt. Martin Ambaras Manoka Express rast durch die Zeiten und reist durch die verschiedensten Überlieferungen, die schroff gefügt und zu einem mitreißenden, rauschhaften Wort-Strom verbunden werden: Einflüsse aus den epischen Gesängen der Tradition des „Mvett“, der wichtigsten kulturellen Quelle Südkameruns, Spuren biblischer Geschichten, Geschichtsspuren aus der kolonialen und postkolonialen Zeit, aus unserer Gegenwart.
Das Meer ruft. „…zu viele Skelette im Atlantik….“, Jahrhunderte alte Skelette, junge Skelette. Das Meer fordert Erinnerung. Das Meer fordert Reinigung.
Christina Schulte, RP Krefeld, 30.4.2024Manoka Express – Theater aus Kamerun zieht Publikum in Bann
“Es war dieser Moment am Ende des Stückes, als sich Stille durch den Raum zog: „Manoka Express“ hatte das Publikum in der Fabrik Heeder tief in seinen Bann gezogen. Das Stück des Kameruners Martin Ambara wurde 2022 in Mönchengladbach uraufgeführt und ist jetzt nach Krefeld gekommen. Es gehört in die von Matthias Gehrt begründete Reihe „Außereuropäisches Theater“. […] Dieses komplexe, sehr gehaltvolle Stück hat der Autor selbst inszeniert und das ist ihm sehr gelungen. Man versinkt in den Anfang der Welt, als noch alles gut war, man wird im Geräusch des Wassers gewiegt, man wird von den Worten um die Welt getragen und das Herz schlägt mit dem archaischen Rhythmus von Trommeln und Stimme. Die Bühne und Kostüme von Emilie Cognard sind überzeugend in der Schlichtheit bei den Männern, besonders hübsch die Krone der Wasserfrau, kurios der rote verhüllte Kopf des Frankenstein (Christoph Hohmann).
Die sechs Schauspieler sind toll – sie bilden eine kleines, gut abgestimmtes Ensemble. Besonders hervorzuheben ist die facettenreiche und vielseitige Katharina Kurschat, die zwischen der Rolle der Tochter und der des Mädchens changiert.”
In Martin Ambaras neuem Stück liefert das Ensemble auf der Studiobühne ein ausdrucksstarkes Spiel
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(Von Angela Wilms-Adrians.) Der kamerunische Autor und Regisseur Martin Ambara macht es seinen Zuschauern nicht leicht. Denn vielfältig sind Einflüsse, Gattungen und historische sowie aktuelle Kontexte, die er für sein neues Stück „Manoka Express“ und dessen Inszenierung verknüpft. Der Theatermacher aus Jaunde hat schon mehrfach in Deutschland inszeniert, am Gemeinschaftstheater Mönchengladbach/Krefeld aber erstmals mit einem deutschsprachigen Ensemble. „Manoka Express“ ist Ambaras Beitrag in der Reihe „Außereuropäisches Theater“. Die Inszenierung des Stücks mit geschichtlichen und mythologischen Hintergründen ist dicht gelungen, das Ensemblespiel ausdrucksstark. Doch der Zuschauer muss sich einfinden in das Gewebe unterschiedlicher Zeit- und Wirklichkeitsebenen. (…) Das Theater bietet jeweils eine Dreiviertelstunde vor Spielbeginn eine Einführung an, die sicher helfen könnte. Eva Spott spielt die Wasserfrau als geheimnisvolle Botin der mythologischen Welt. Katharina Kurschat ist Mädchen und Tochter. Eindrucksvoll gibt sie das Leiden ihrer Figur, deren verzweifelte Suche und Sinnfindung. Ihre durchdringenden Schreie erschüttern zutiefst, wie auch ihr Schweigen quälend ist. Bruno Winzen zeigt starke Präsenz in der Rolle des Priesters. Mit rot verhülltem Gesicht und Anzug mimt Christoph Hohmann Aggressivität und Ratlosigkeit des Frankenstein. David Kösters und Nicolas Schwarzbürger spielen eindringlich, fordernd und bringen ebenso unvermutet grotesk komische Elemente ein. Mögliche Illusion von Realität unterbinden sie durch Verweise auf die Filmwelt. Die Darsteller sind ihrem Publikum nicht nur durch die räumliche Situation der Studiobühne nah. Sie dringen teilweise ein in das Refugium der Sitzreihen, werden zeitweise selbst zu Zuschauern. Mit langem Beifall feierte das Premierenpublikum die Uraufführung in Anwesenheit des Autors.
Rheinische Post vom 28. 11. 2022
Tauchgang in die Kolonialgeschichte
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(Von Max Florian Kühlem.) (…) Ein Satz wird in der Uraufführung “Manoka Express” von Martin Ambara immer wieder gesagt: “Zu viele Skelette auf dem Grund des Meeres.” Und irgendwann fällt auf: Das sind ja gar keine Wellenkämme, über die das Ensemble des Theaters Krefeld und Mönchengladbach stolpert. Es ist wohl eher ein Meer aus schwarzen Leichensäcken, durch das sie sich arbeiten. Ambara, der aus Kamerun stammt und dort das Theaterlabor Othni aufgebaut hat, sieht das Stück als Teil eines Reinigungsprozesses, um den Schock zu verarbeiten, dass er die unheilvolle Geschichte der Insel Manoka vor der Atlantikküste Kameruns noch nicht kannte. (…) Die Inszenierung ist eine ambivalente Angelegenheit. Sie macht einerseits den Eindruck, politisch-rational verborgene Kolonial-Geschichte aufzuarbeiten, und reproduziert andererseits religiöse Mythen. Martin Ambara sagt einerseits, dass er begonnen habe, sich “von den Einflüssen des europäischen Theaters zu lösen (…)”. Andererseits steht sein Abend doch an vielen Stellen ziemlich eindeutig in der Tradition des europäischen, intellektuellen, postdramatischen oder Regie-Theaters. Er sagt auch, dass er sich beim Stück, das er eigentlich für ein Theater in Kamerun entwickelt hat, gefragt habe: “Wie können Deutsche das spielen?!? Aber es funktioniert ziemlich gut.” Tatsächlich kommt es genau an dieser Stelle zu Irritationen. Die deutschen Schauspieler:innen sprechen oft eine ihnen offenbar fremde Sprache (…) und untermalen oder übertönen ihren assoziativen Text mit rhythmischen Lauten und einer Art Body-Percussion. (…) Natürlich sind solche Irritationen, die durch das Aufeinanderprallen von Kulturen entstehen können, interessant und genuin theatral. Trotzdem bleibt das Stück merkwürdig fern und fremd. Und vielleicht will es das ja auch.
Nachtkritik am 26. November 2022 Zum Beitrag