Don José erinnert sich, seine Gedanken kreisen um Carmen. Seine verhängnisvolle Leidenschaft für diese heißblütige, verführerische Frau und seine rasende Eifersucht lassen ihn zum Mörder werden…
Dem pflichtbewussten Don José bleibt Carmens Persönlichkeit fremd. Ihre Kompromisslosigkeit, ihre Launen, ihre Rebellion gegen Gesetz und Hierarchie, ihr unbändiger Freiheitsdrang kollidieren mit seinem Besitzanspruch.
Dieses Konfliktpotential, die Unvereinbarkeit freien Lebens mit bürgerlichen Normen und Werten, das spanische Milieu, die Situation des Stierkampfes – all das reizte Robert North zu einer tänzerischen Adaption des Stoffes. So entwickelte er – fußend auf der 1847 erschienenen Novelle von Prosper Mérimée – in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Christopher Benstead ein eigenständiges Carmen-Ballett, dessen Tanz- und Raumkonzept eine perfekte Synthese mit der Bühnenmusik eingeht: Flamenco-Rhythmen und Gitarrenklänge charakterisieren Situationen und Protagonisten und bilden ein ideales Fundament für die spannungsgeladene Choreografie, die 2012/13 schon einmal an unserem Theater zu erleben war und vom Publikum begeistert aufgenommen wurde.
Leitung
Besetzung
Michaela Plattenteich | Westdeutsche Zeitung Krefeld | 3. Juni 2025Carmen-Premiere zum Geburtstag
An seinem 80. Geburtstag begeisterte der scheidende Ballettdirektor Robert North das Publikum mit seiner eindrucksvollen Adaption des berühmten Stoffes (…) Der „Carmen“-Stoff ist scheinbar untrennbar mit der gleichnamigen Oper von Georges Bizet verknüpft. Robert North hat sich in seinem Stück deutlich davon abgegrenzt und hat sich mehr mit der literarischen Vorlage, der Novelle von Prosper Mérimée beschäftigt. Der wesentliche Unterschied ist die Musik. Der Komponist Christopher Benstead hat für das Ballett eine Musik geschaffen, die auf andere Weise als Bizet sehr viel spanisches Flair und Tanzrhythmen enthält. Trotzdem klingt sie nicht einseitig folkloristisch, sondern in ihrer Mischung aus Flamenco, Jazzelementen und andalusischen Volksliedern durchaus abwechslungsreich.
Sehr reduziert, aber von besonderer Atmosphäre ist das Bühnenbild, das Robert North ebenfalls entworfen hat. Es besteht aus sechs großen Holztischen, die von den Tänzern selbst blitzschnell bewegt werden können, um neue Szenenbilder zu schaffen. (…) Einen farbenprächtigen Kontrast dazu bilden die wunderbaren Kostüme von Luisa Spinatelli, die sich von Malern wie Francisco de Goya und Gustave Doré inspirieren ließ. In einer Szene wird ein Bild Goyas direkt zitiert. Basierend auf der Novelle rückt auch bei North die Figur des Don José stärker in den Fokus. Aus seiner Perspektive wird die Geschichte seiner verhängnisvollen Leidenschaft für Carmen in einer Rückblende erzählt (…)
Irene van Dijk und Alessandro Borghesani sind ein mitreißendes Paar, die jede Facette dieser Beziehung auf gewohnt tänzerisch hohem Niveau zum Ausdruck bringen. (…) Eine weitere ganz starke Szene gelingt mit dem Auftritt des Picadors (Andrii Gavryshkiv), der seine kraftvoll-eleganten Bewegungen in besonderem Licht aufführt. In der Dunkelheit taucht der Stier auf, der ebenfalls von einem Tänzer (Marco A. Carlucci) eindrucksvoll dargestellt wird. Das übrige Ensemble bereichert als Schmuggler, Fabrikarbeiterinnen und Frauen aus Sevilla die Szenerie. (…) Musik und Handlungsfluss sind unglaublich dicht miteinander verbunden. (…)
Seit 2007 hat Robert North 35 Choreografien für das hiesige Theater einstudiert, hat ein kleines, aber außergewöhnlich vielseitiges Ensemble geformt. Die Sparte Ballett ist so zum Publikumsliebling geworden. Vor allem aber hat dieser feinsinnige Künstler, der zuvor weltweit gearbeitet hat, dem Publikum am Niederrhein viele unvergessliche Theatererlebnisse beschert, wozu auch dieser Abend ganz sicher zu zählen ist.
Markus Lamers | Der Opernfreund | 3. Juni 2025Krefeld, Ballett: „Carmen“, Robert North
Am 1. Juni fand im Theater Krefeld nicht nur die Premiere des Ballettabends Carmen statt, vielmehr feierte Robert North, langjähriger Ballettdirektor des Niederrheinischen Gemeinschaftstheaters, an diesem Tag auch seinen 80. Geburtstag. (…)
Bekannt ist Carmen vor allem durch die Oper von Georges Bizet, für seine Choreografie griff Robert North allerdings auf die im Jahr 1845 erschienene Novelle von Prosper Mérimée zurück. Um diese Abgrenzung zu verdeutlichen, wollte North unbedingt eine eigenständige Musik und keine Auszüge aus der bekannten Oper verwenden. Entsprechend schuf der Komponist Christopher Benstead eine komplett neue Musikpartitur für diesen Abend. Diese wird natürlich von Flamenco-Rhythmen und Gitarrenklängen dominiert, enthält darüber hinaus aber immer wieder geschickt eingestreute spanische Volkslieder und Tänze aus Andalusien. (…)
All dies untermalt Robert North mit nahezu selbsterklärenden Choreografien in einem rund 90-minütigen Handlungsballett zuzüglich einer Pause nach rund 45 Minuten. Dabei wechseln sich große Gruppentänze mit intimen Momenten zwischen Carmen und Don José ab. Die beiden Hauptpersonen werden von Irene van Dijk und Alessandro Borghesani wunderbar verkörpert. Darüber hinaus stehen zwanzig weitere Tänzerinnen und Tänzer aus dem Ballettensemble auf der Bühne und legen einmal mehr eindrucksvoll dar, welche exzellente Arbeit in den vergangenen Jahren in der Ballettsparte geleistet wurde. Auch das Bühnenbild wurde von Robert North entworfen. Er setzt hierbei sechs große Holztische immer wieder anders ein. (…) Der große Vorteil hierbei sind die fließenden Übergänge. Die Tische werden von den Tänzerinnen und Tänzern ganz nebenbei in die richtige Position geschoben. Die Kostüme von Luisa Spinatelli sind selbsterklärend (…) Besonders Carmen sticht mit ihrem Kleid in Rot, Schwarz und Weiß hervor. Beim Entwurf des Kostümbildes ließ sich Spinatelli von Bildern der beiden Maler Gustave Doré und Francisco de Goya inspirieren.
Am Ende der Premiere spendete das Publikum tosenden Applaus, der kaum ein Ende nehmen wollte. Fast zehn Minuten lang wechselten sich Bravo-Rufe, Jubelstürme und rhythmisches Klatschen ab. Damit dankte das Publikum einerseits dem Ballettdirektor für einen sehr unterhaltsamen Theaterabend, mehr aber noch Robert North für seine 15-jährige Zeit als Ballettdirektor und die über 35 verschiedenen Ballettabende, die er seit der Spielzeit 1999/2000 am Theater Krefeld-Mönchengladbach verwirklichen konnte.
Christina Schulte | Rheinische Post Krefeld | 3. Juni 2025Carmen-Premiere erntet tosenden Jubel
(…) Alle Tänzerinnen sind in wunderbar schwingende Gewänder gekleidet, matte, dunkle Farben, leicht glänzende Schärpen. (…) Die verschiedenen Aspekte des ländlichen und städtischen Lebens werden in einem bunten, sehr bewegten Bogen aneinandergereiht. (…)
Das Disparate der Tanzszenen des ersten Teils wird im zweiten Teil zusammengeführt und kulminiert im Stierkampf. Der Picador (Andrii Gavryshkiv) in seinem Gewand aus Licht „Traje des Luces“ zieht alle in seinen Bann. Das gilt auch für Carmen. Man spürt die Attraktion der vollkommenen Bewegung nach den Regeln des archaischen Stierkampfs. Damit ist das Schicksal besiegelt (…)
Ernst Müller | Extra-Tipp am Sonntag Krefeld | 8. Juni 2025Heißblütige Liebe im alten Spanien
(…) Warum sich North solcher Beliebtheit beim Publikum erfreut, belegt die aktuelle Inszenierung „Carmen“ aufs Neue. Es ist seit jeher das Markenzeichen des Amerikaners, mit den Mitteln des Tanzes fortlaufende Geschichten zu erzählen. (…)
North greift auf die zugrundeliegende Erzählung von Prosper Mérimée zurück und ersetzt die bekannte Musik Bizets durch Kompositionen des zeitgenössischen Tonsetzers Christopher Benstead (…) Man hört spanische Gesänge, volksliedhafte Melodien und auch harte Rhythmen, die stellenweise in Pop übergehen. Dadurch gewinnt die Aufführung an Frische und Gegenwart.
Die Handlung selbst zieht wie eine Art Stummfilm am Auge des Zuschauers vorbei. (…) Diese ebenso dramatische wie psychologisch facettenreiche Geschichte visualisieren die Tänzerinnen und Tänzer mit stetig wechselnden Szenarien: wilde Massenauftritte voller Lebenslust in prächtigen Kostümen (Luisa Spinatelli), hektische Messerkämpfe zwischen männlichen Rivalen und ebenso zarte Liebesbezeugungen der beiden Hauptdarsteller. Es sind gerade die schnell aufeinander folgenden Stimmungswechsel, die der Aufführung ihre Spannung verleihen. (…)
Ganz neu ist die Inszenierung nicht. (…) Doch kommt sie frisch, farbig und explosiv daher wie „neu geboren“. Vielleicht das schönste Geschenk zum Geburtstag ihres Schöpfers. Das Premierenpublikum jedenfalls spendete stehend brausenden Applaus, der gar nicht enden wollte.