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Schauspiel

Eine Volksfeindin

Nach Henrik Ibsen // In einer Bearbeitung von Christoph Roos unter Verwendung der Fassung für die Berliner Schaubühne von Florian Borchmeyer Leitung Besetzung

24. Oktober 2024 – 24. Januar 2025

Dauer 1 Std. 55 Min. inkl. Pause

Die Badeärztin einer Kurstadt veröffentlicht brisante Untersuchungsergebnisse über eine Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung durch verunreinigtes Wasser. Frau Doktor Stockmann sieht sich als warnende Aufklärerin eines Umweltskandals. Als sie die Stilllegung und Sanierung des Kurbades fordert, schwindet das sicher geglaubte Verständnis von Freunden und Familie zusehends. Vor allem ihr Bruder, der Bürgermeister des Ortes, steht ihr entgegen. Er bezweifelt die Richtigkeit des Gutachtens und will den finanziellen Schaden für den örtlichen Kurbad-Tourismus klein halten. Das existenzielle Wohl der Stadtbevölkerung steht plötzlich in Konkurrenz zum gesundheitlichen Wohl der Kurgäste. Und schon beginnt ein öffentlich ausgetragener Meinungskampf der Widersacher um Wahrheit und politische Verantwortung. Das gesellschaftliche Fundament droht dabei zu brechen.

Henrik Ibsens 1882 geschriebenes Drama Ein Volksfeind nimmt aktuelle gesellschaftliche Diskurse hellsichtig vorweg. Politische Auseinandersetzungen von idealistischen Fundis und bedächtigen Realos sowie mediale Schlachten mit Fake-News sind heute ebenso Alltag wie hitzige Diskussionen über die Themen Umwelt, Natur und Gesundheit. Selbst der diffamierende Fingerzeig auf Mitglieder der Ökobewegung als vermeintliche „Feinde der Gesellschaft“ ist heute Teil der öffentlichen Auseinandersetzung geworden.

Von Klaus Matthias Schmidt, WZ Krefeld, 24.09.2024

Wahrheit gerät unter die Räder, der Fortschritt auch

“Helena Gossmann spielt die Ärztin Stockmann grandios. Nicht kratzbürstig und widerspenstig, wie sie vielleicht ihre Kontrahenten sehen wollen, sondern unbeugsam, aufrecht und streitbar. Sie will, dass die wissenschaftliche Wahrheit ans Licht kommt, damit die zugrundeliegenden Mängel behoben werden. (…) Mit allzu hohem moralischem Anspruch lässt sich vernünftiges Verhalten nicht erzwingen, auch das kommt einem aus aktuellen Debatten mehr als bekannt vor. Morten Kiil (Michael Grosse), mit reichlich Kapital gesegnet, weiß am Ende dennoch, wie er seine Schwiegertochter Katharina zur Teilnahme an einer Lösung bringen könnte. Wie, das sei hier nicht verraten. Man wünscht dieser schlauen Inszenierung, die unserer Gesellschaft nicht besserwisserisch den Spiegel vorhält, viele Zuschauer.”

Von Petra Diederichs, RP Krefeld, 24.09.2024

„Eine Volksfeindin“ stellt Fragen zur Demokratie von heute – so lief die Premiere

“Mit der Bearbeitung des Ibsen-Stücks liefert das Theaterensemble einen brandaktuellen Beitrag zur Demokratiedebatte und Befindlichkeit der Zivilisation. Es geht um Macht, Lobbyismus, Lüge und Wahrheit. Ein hoher Anspruch. (…) Es ist sehr heutig: In einem in psychedelischem 70er-Jahre Gelb-Orange-Rot gekachelten Bühnenraum von Carola Reuther lebt die Gegenwarts-Kleinfamilie. David Kösters versorgt als liebevoller Ehemann Kind und Haushalt, während die Frau (Helena Gossmann) als Badeärztin der Kurstadt gut dotiert berufstätig ist. Es ist keine anheimelnde Idylle, denn Markus Maria Jansens Bühnenmusik karikiert Glückseligkeit; Hämmern und Wasserrauschen verweisen auf das Wohl und Wehe der Menschen, das an die Wirtschaftskraft des Tourismus gebunden und damit wacklig ist. (…) Hier fährt das spielerisch immer überzeugende Ensemble zu ganz großer Form auf. Helena Gossmann ist so leidenschaftlich und glaubhaft in ihrer Rolle, dass man ihr nicht widerstehen kann. Eva Spott vor allem, aber auch Nicolas Schwarzbürger und Christoph Hohmann als Zeitungsleute sowie Paul Steinbach als Vorzeige-Lobbyist, müssen hier improvisieren, mit Einlassungen des Publikums spielen. Dem geht es um die Frage, wie demokratisch Mehrheitsentscheidungen sind, ob und von wem sie rechtlich geprüft werden müssten, welche Interessen hinter den Medien als vierte Gewalt im Staat stecken. Verdient diese Gesellschaft ihren Untergang? Ist die Zivilisation klinisch tot?”

Angela Wilms-Adrians, RP Mönchengladbach, 15.4.2024

Ibsens Drama um Wahrheit und Mehrheit versetzt ins Heute

“Das Theaterensemble entfaltet authentisch und aufwühlend das Spiel um Macht und Wahrheit, um Meinung und Recht, wie es sich zu jeder Zeit zutragen könnte. Ein genialer Wurf der Inszenierung ist die Umkehrung der Zuschauerreihen zum Spielfeld unmittelbar nach der Pause. So scheint das Publikum für einen Moment mittendrin zu sein im Meinungskampf nach Art einer Talkshow mit reger Publikumsbeteiligung. […] Helena Gossmann mimt engagiert und leidenschaftlich die Ärztin Katharina Stockmann in deren anfänglichem Optimismus, in der eskalierenden Auseinandersetzung mit dem Bruder Peter wie auch im sich entwickelnden Konflikt mit den Pressevertretern und im unbedingten Willen zur Wahrheit. Packend und kraftvoll gestaltet sie Katharinas einsamen Kampf vor der von ihr einberufenen Versammlung.”

Martin Krumbholz, Nachtkritik.de, 14.4.2024

Auch die Mehrheit irrt

“Der schlaue Fuchs Ibsen weiß natürlich genau, was er in dem Stück tut. In einem im Programmheft abgdruckten Original-Interview belehrt er den Befragenden, der sicher zu sein meint, wem die Sympathien des Autors dieses Tendenzstücks gehören: “Ja? Glauben Sie das zu wissen? Vielleicht irren Sie!” Die Tücke liegt in der Ambivalenz und in dem, was viel später “Dialektik der Aufklärung” genannt wurde. Stockmann hat sachlich und fachlich recht und menschlich und strategisch unrecht; einem Michael Kohlhaas nicht unähnlich, verirrt er (oder sie) sich komplett und manövriert sich in die Isolation.[…] Wie sein Protagonist glaubt Ibsen offensichtlich nicht an die Vernunft der “kompakten Majorität”. Der “Volksfeind” ist nicht nur ein Stück über Corona, sondern auch zum Beispiel über den Trumpismus. Und auch bei Ibsen ist das Ende offen. (Die avisierte Auswanderung nach Amerika hatte 1882 eine andere Dimension.) Die Volksfeindin Helena Gossmann jedenfalls spielt ihre Rolle tadellos, mit Emphase und sympathisch, und das Sympathische ist hier eben doch auch eine Ansage.”

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