Konzerte
Die Niederrheinischen Sinfoniker – Opus Klassik 2022 für die “Sinfonische Einspielung”
Die im Dezember 2021 beim renommierten Label Dabringhaus und Grimm erschienene CD der Niederrheinischen Sinfoniker und GMD Mihkel Kütson mit Werken von Alexander Glasunow wurde mit dem Opus Klassik für die “Sinfonische Einspielung” ausgezeichet. Zu hören sind auf der CD Glasunows 7. Sinfonie “Pastorale”, seine symphonische Dichtung “Stenka Razin”, die Ouvertüre “Carnaval” und das Poème lyrique.
Die CD ist für 10,- € an den Theaterkassen erhältlich, außerdem im freien Handel. Ebenfalls erhältlich sind eine CD mit der vierten Sinfonie von Gustav Mahler (nur an den Theaterkassen) sowie je eine CD mit Werken von Mili Balakirew und Vasily Kalinnikov.
Das Orchester
Die Orchesterhistorie
Die Niederrheinischen Sinfoniker sind das Orchester der Theater Krefeld Mönchengladbach gGmbH. Im Rahmen der Theaterfusion der Städte Krefeld und Mönchengladbach im Jahre 1950 wurden auch die beiden ehemals privaten, dann städtischen Orchester, die bereits verschiedentlich gemeinsam musiziert hatten, vereinigt. 1973 erhielt der Klangkörper seinen eigenen Namen. Generalmusikdirektoren der bisherigen Orchestergeschichte waren Romanus Hubertus, Robert Satanowski, Lothar Zagrosek, Reinhard Schwarz, Yakov Kreizberg, Anthony Bramall und Graham Jackson. Seit 2012/13 steht Mihkel Kütson dem Orchester vor.
Die im Dezember 2021 bei Musikproduktion Dabringhaus und Grimm erschienene CD-Einspielung mit Werken von Alexander Glazunov wurde mit dem Opus Klassik 2022 für die „Sinfonische Einspielung“ ausgezeichnet. Es folgten CDs mit Werken von Mili Balakirew sowie Vasily Kalinnikov, ebenfalls bei Dabringhaus und Grimm.
Immer wieder arbeiteten und arbeiten die Niederrheinischen Sinfoniker mit führenden Komponisten, Dirigenten und Solisten zusammen, darunter Paul Hindemith, Peter Maxwell Davies, Giuseppe Sinopoli, Yehudi Menuhin und Frank Peter Zimmermann. In jüngster Zeit waren unter anderem Olga Scheps, Carolin Widmann, Alena Baeva, Alexej Gerassimez, Nils Mönkemeyer und Martin Stadtfeld zu Gast.
Neben ihren Auftritten als Konzertorchester übernehmen die Niederrheinischen Sinfoniker am Theater Krefeld Mönchengladbach die Funktion als Theaterorchester. Eine langjährige Kooperation verbindet das Orchester mit den Musikschulen der beiden Städte.
Regelmäßig sind Sinfoniekonzerte des Orchesters live auf WDR 3 zu hören. Im Juni 2017 erschien eine CD mit einem Live-Mitschnitt der vierten Sinfonie von Gustav Mahler (Dirigent: GMD Mihkel Kütson, Sopran: Sophie Witte). Im Juli 2017 war das Orchester gemeinsam mit dem hauseigenen Musiktheaterensemble mit mehreren Aufführungen beim Opernfestival in Saaremaa (Estland) zu Gast.
Im Jahr 1902 spielte das damalige Städtische Orchester Krefeld unter Gustav Mahlers eigener Leitung die Uraufführung von Mahlers 3. Sinfonie.
„Ruhe bitte, Aufnahme läuft, … und bitte!“ – ein Bericht über die CD-Aufnahmen von April bis Juni 2021
„Ruhe bitte, Aufnahme läuft, … und bitte!“ Diese für die Niederrheinischen Sinfoniker als Konzert- und Theaterorchester höchst ungewöhnlichen Worte waren ab April 2021 regelmäßig im Konzertsaal des Mönchengladbacher Theaters zu hören. Und auch der Konzertsaal selbst sah sehr verändert aus: Die Bühnenfläche war um ein Vielfaches vergrößert worden und reichte einige Meter in den weitestgehend leergeräumten Zuschauerraum hinein, der Vorhang hinter der Bühne war nicht wie sonst in gleichmäßigem Faltenwurf zugezogen, sondern weitmöglichst geöffnet, auf der gesamten Bühne waren zahlreiche Standmikrophone verteilt, die am Boden durch entsprechendes Kabelwerk miteinander verbunden waren. Ein besonders dickes Kabel führte in den hinter dem Konzertsaal gelegenen großen Küchenbereich, genauer: in den ehemaligen Kühlraum. Dort hatte ein Tonmeister sein kleines, aber feines mobiles Tonstudio aufgebaut.
Was war geschehen? Drei der Sinfoniekonzerte der Saison 2020/21, die dem zweiten Corona-Lockdown zum Opfer fallen mussten, hatten die Sinfoniker gemeinsam mit den jeweils geplanten Solisten und Dirigenten auf Video aufgenommen und per Stream auf dem Online-Portal classic.nl zur Verfügung gestellt. Doch ab Februar wurde bei den Sinfonikern, dem Generalmusikdirektor und auch seinem Team im Hintergrund der Wunsch immer drängender, wenn schon nicht live vor Publikum musizieren zu dürfen, den Musikfreunden doch etwas Dauerhafteres anbieten zu können als einen dreimonatigen Stream via Internet. Anfang März war die Entscheidung getroffen, eine CD aufzunehmen. Schon Mitte März war als Partner das renommierte Klassiklabel Dabringhaus und Grimm aus Detmold gewonnen, dessen Chef sogleich anregte, in größeren Perspektiven im Sinne einer sich über mehrere Jahre erstreckenden CD-Reihe zu planen. Auch die Frage, welche Werke die Niederrheinischen Sinfoniker auf CD bannen werden, war schnell entschieden. Statt den zahlreichen Einspielungen der Sinfonien Beethovens, Mahlers, Bruckners, … anderer Orchester eine weitere hinzuzufügen, stellen GMD Mihkel Kütson und die Niederrheiner je CD einen weniger bekannten russischen Komponisten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Mittelpunkt. So haben die Hörer – wie in der hauseigenen Sinfoniekonzertreihe – die Möglichkeit, Werke für sich neu zu entdecken. Für Mihkel Kütson gab es aber noch ein weiteres entscheidendes Argument: „In den bisherigen Konzertaufführungen hat es sich herausgestellt, dass die klanglichen und interpretatorischen Vorzüge unseres Orchesters in diesem Repertoire besonders zur Geltung kommen.“, und er erklärt weiter: „Solche spätromantische Orchestermusik verlangt nach einem dichten und blühenden Streichklang, nach schwelgend-agilen Holzbläsern und Blechbläsern, die sich weich und rund in den Orchesterklang einbetten. Außerdem hat es mich fasziniert, dass die Komponisten zwar öfters in Europa ausgebildet wurden, aber dennoch einen eigenen, charakteristischen Zugang zur Orchestermusik gefunden haben. Ich finde es sehr schade, dass dieses Repertoire hierzulande wenig bekannt und selten gespielt ist. Daher waren die CD-Aufnahmen auch für unsere Orchestermusiker eine wunderbare Gelegenheit, dieses zu entdecken und es sich vertraut zu machen.“
Kaum gespieltes, aber unbedingt hörenswertes Repertoire zu wählen, bedeutete nicht nur für Dirigent und Orchester eine gewisse Herausforderung. Zunächst musste das Notenmaterial aufgespürt werden – und das zum Teil in kürzester Zeit, denn schon Mitte April 2021 sollten die Aufnahmen von Werken Alexander Glazunovs für die erste CD beginnen, Anfang Mai wurden für eine zweite CD Werke von Mili Balakirew eingespielt, Ende Juni standen die Aufnahmen für eine dritte CD mit Kompositionen von Vasily Kalinnikov an. Parallel dazu hatte übrigens Mitte Mai endlich der Spielbetrieb vor Publikum wieder begonnen, in coronakonformer Anpassung.
Nach langen Monaten, in denen die Sinfoniker in deutlich kleineren Besetzungen gespielt hatten und – trotz allen häuslichen Übens und Vorbereitens – zeitlich weniger gefordert waren als im regulären Spielbetrieb aus Proben sowie Konzert-, Opern- und Ballettvorstellungen, ging es also ab April 2021 in einer rund 60-köpfigen Orchesterbesetzung in eine intensive Proben- und Aufnahmetätigkeit. Pro CD gab es fünf Proben, es folgten vier Produktionstage mit je zwei mehrstündigen Aufnahmesitzungen. Bei aller Freude: „Nach dieser langen Zeit war das für mich körperlich und ansatzmäßig sehr anstrengend.“, erinnert sich Soloklarinettist Olaf Scholz. „Ich war es einfach nicht mehr gewohnt, so viel zu spielen. Besonders für uns Bläser war es sehr intensiv. Man hat gemerkt, dass man an seine Leistungsgrenze kommt. Drei Stunden vormittags, drei Stunden abends, und das die ganze Zeit unter Volllast. Das war eine Situation, mit der jeder Einzelne zurechtkommen musste.“ Das Konzentrationsvermögen aller Beteiligten wurde ebenfalls auf das Äußerste gefordert. Und neben der möglichst perfekten Leistung am Instrument mussten sämtliche eventuelle Störgeräusche vermieden werden: vom Knarzen eines Stuhles über das zu laute Einatmen bei wichtigen Passagen bis zu unruhigem Umblättern der Noten.
„Bei solchen Aufnahmesessions werden wirklich alle, inklusive Dirigent, irgendwann an ihre technischen und mentalen Grenzen geführt, da alle in höchster Konzentration auf diesen einen Moment zuarbeiten. Und der Anspruch, jedes Detail perfekt aufnehmen zu wollen, stellt alle natürlich unter einen großen Druck.“, betont auch Mihkel Kütson, zumal der Möglichkeit der Wiederholung aus Konditionsgründen irgendwann physische Grenzen gesetzt sind. Dass dieser Wunsch nach Perfektion auch seine Schattenseiten hat, weiß Olaf Scholz zu berichten: „Wenn Du ganz perfekt spielen willst, dann wird das musikalisch gerne etwas eindimensional. Zum Glück hatten wir einen sehr guten Tonmeister. Er hat mir geholfen, mich darauf zu konzentrieren, dass ich locker bleibe und dem musikalischen Fluss folge.“ Tatsächlich hatten Sinfoniker und GMD Mihkel Kütson mit Holger Schlegel von Dabringhaus und Grimm als wichtige und sehr geschätzte Unterstützung für den Dirigenten eine Art unbestechliches „zweites Ohr“ im Hintergrund. Dank ebenfalls höchster Konzentration und spezieller Kopfhörer entging ihm selbst das kleinste musikalische Detail nicht und es gelang ihm, Kritik und Änderungswünsche stets motivierend und anspornend zu formulieren. Er besorgte übrigens nicht nur die Aufnahmen an sich, vorab hatte er die Mikrophone positioniert, eine Vorjustierung gefunden, und auch die endgültige Abmischung der Aufnahmen lag und liegt in seinen Händen. Der ungewohnte vorübergehende Arbeitsplatz „Kühlkammer“ war dabei rein praktischen Gegebenheiten geschuldet: Dieser Raum hatte sich als am besten abgeschottet von Störgeräuschen sowohl von außen wie auch von innerhalb des Theaters erwiesen.
Ein großer Wunsch bei der Aufnahme war, trotz CD den Eindruck zu haben, dass man mitten im Konzertsaal sitzt. Zudem sollte möglichst viel an einem Stück aufgenommen werden, um so den organischen musikalischen Fluss zu erhalten. Trotzdem waren natürlich auch die Niederrheinischen Sinfoniker nicht vor Wiederholungen von noch nicht zur vollkommenen Zufriedenheit gelungenen Passagen gefeit, was ja zugleich die Chance der Aufnahme gegenüber dem live musizierten Konzert ist. Hier denkt der Außenstehende wohl vor allem an unpräzise Soli einzelner Musiker, doch Olaf Scholz verrät: „Wir mussten kaum wegen ‚verkiekster‘ Stellen wiederholen, sondern vielmehr wegen des Zusammenspiels, der Dynamik, also wegen der Gruppenleistung. Die Einzelleistung der Kollegen war wirklich sehr gut. Und es gab auch keine Verärgerung a là: ‚Wegen dem müssen wir noch mal.‘“
Nach einem Monat exklusiven Vorverkaufs an den Theaterkassen ist die Glazunov-CD seit Mitte Januar 2022 im Handel verfügbar. Enthalten sind darauf die Sinfonie Nr. 7 „Pastorale“, die sinfonische Dichtung „Stenka Razin“, das „Poème lyrique“ und die Ouvertüre „Carnaval“. „Schon beim ersten Hören war ich sehr begeistert von der hervorragenden Durchhörbarkeit der Aufnahme. Dem Tonmeister ist es gelungen, einen sehr lebendigen und natürlichen Orchesterklang einzufangen. Auch die Leistung unserer Musiker hat mich sehr stolz gemacht. Anscheinend ist es uns über die Jahre gelungen, die Qualität unseres Musizierens auf einem hervorragenden Niveau zu entwickeln, womit wir uns mitnichten verstecken müssen.“, ist Mihkel Kütson stolz auf das Ergebnis der für alle kräfte- und nervenzehrenden Arbeit. Überrascht habe ihn, wie schnell die Sinfoniker nach der langen Zeit der kleinen Besetzungen wieder zum gemeinsamen Klang und der gemeinsamen Musizierweise gefunden haben – und dies unter den erschwerten Bedingungen der dank „Corona“ vorgeschriebenen großen Abstände zwischen allen sowie damals auch Plexiglasscheiben vor den Bläsern. „Abgesehen davon, dass in den Arbeitsphasen drei wunderbare CDs herausgekommen sind, war das für uns als Orchester auch eine Art ‚Gesundheitskur‘, wenn man einmal wie unter einer Lupe alle Aspekte unseres musikalischen Tuns gemeinsam durchleuchtet, präzisiert und justiert.“, berichtet Mihkel Kütson weiter. Und auch der Soloklarinettist zeigt sich nachhaltig begeistert von der Leistung seiner Kollegen, die alle über sich hinausgewachsen seien, und wünscht sich sehr, dass der Anspruch, sich immer zu mindestens 100 Prozent zu fordern, auch in den (hoffentlich bald wieder eintretenden) Arbeitsalltag weiter hineinwirkt.
Die CD mit Werken von Mili Balakirew befindet sich aktuell in der Vorbereitung und soll pünktlich zum 1. Sinfoniekonzert 2022/23 erscheinen. Passend dazu erklingt an dem Konzertabend Balakirews Klavierkonzert Nr. 1 fis-Moll op. 1, das auch auf der CD enthalten ist. Wie dort ist als Solistin am Klavier Dinara Klinton zu hören. Außerdem wurden auf der CD die Sinfonie Nr. 2 d-Moll, die Ouvertüre über drei russische Themen und die Ouvertüre zu William Shakespeare’s „King Lear“ eingespielt. Die Vasily Kalinnikov-CD mit der Sinfonie Nr. 1 g-Moll, der Tondichtung „Zeder und Palme“, zwei Intermezzi und einer Serenade für Streicher folgt in der Saison 2023/24. Ob und wann es zu einer vierten CD mit weniger bekannten Werken eines russischen Komponisten kommt, ist aktuell noch vollkommen offen. „Für uns als Konzert- und Theaterorchester ist es fast unmöglich, solche mit großem Zeitaufwand verbundenen Projekte zu realisieren. Aber die Erfahrung und das Ergebnis ermuntern dazu, es zumindest punktuell immer wieder umzusetzen.“, hat sich Mihkel Kütson fest vorgenommen.